Gewachsen
Der Wechsel in ein neues Land bringt gerade für einen jungen Spieler enorm viele Veränderungen mit sich – und viele Premieren. Eine solche erlebt Gustav Christensen auch beim Termin mit unseren Clubmedien, denn wie er verrät, ist es sein erstes Interview auf Englisch. Doch der junge Däne beweist im Gespräch mit herthabsc.com, dass er sich nicht nur auf dem Rasen schnell in neuen Situationen zurechtfindet, wenngleich der Schritt nach Spreeathen im Sommer auf wie neben dem Platz „ein großer“ war. „Ich komme aus einer kleinen Stadt mit 15.000 Einwohnern. In Dänemark leben über 5,5 Millionen Menschen, alleine in Berlin sind es inzwischen schon fast vier Millionen, glaube ich. Das ist verrückt, so eine große Stadt“, lacht der 19-Jährige, der sich inzwischen jedoch schon heimisch fühlt. „Ich habe ein Apartment, in dem ich mich wohlfühle, und ein Stammrestaurant in der Nähe des Olympiastadions, in dem ich mich gut mit dem Chef verstehe – es fühlt sich gut an, hier zu sein!“
Fortschritte und der Hunger auf mehr
Nicht nur kulinarisch ist der Offensivspieler in Berlin angekommen, auch fußballerisch hat er sich sichtbar weiterentwickelt. „Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich sechs Monate zurückblicke und selbst staune, wie viele wichtige Schritte ich in dieser Zeit machen konnte. Das alles ging schneller, als ich selbst erwartet hätte. Es gibt aber selbstverständlich noch viel zu tun, ich bin ja noch jung“, lächelt Christensen. Wo sieht er selbst seine größten Fortschritte? „Am Ball habe ich eine viel größere Ruhe gewonnen, verliere ihn inzwischen seltener. Außerdem bin ich im physischen Bereich besser geworden und smarter in den direkten Duellen“, skizziert der 1,78-Meter-Mann und untermauert: „Dabei helfen mir die Trainingseinheiten mit den physisch stärkeren und erfahreneren Jungs ebenso wie jede Minute auf dem Feld. All das bringt mich weiter!“
[>]Am Ball habe ich Ruhe gewonnen. Außerdem bin ich im physischen Bereich besser geworden und smarter in den direkten Duellen.[<]
Wichtige Praxis in der U23
Jene Minuten sammelte der Flügelflitzer insbesondere zu Saisonbeginn auch bei der U23, wo vier Tore in vier Partien für ihn notiert sind. „Ich stehe einfach gerne auf dem Feld und freue mich, wenn ich helfen kann. Die Treffer haben mir Selbstvertrauen für die Aufgaben bei den Profis gegeben“, verdeutlicht der U-Nationalspieler. Seinen Platz im Aufgebot von Trainer Pál Dárdai hat der Rechtsfuß sich mit viel Fleiß erkämpft, nachdem er den Sprung ins Aufgebot für das Sommer-Trainingslager noch verpasst hatte. „Als ich nicht mitfahren durfte, war das im ersten Moment schon hart. Aber: Im Nachhinein war es gut für mich! Ich durfte einige erfolgreiche Spiele für die U23 machen, habe dadurch wichtiges Selbstvertrauen getankt. Als ich dann nach dem Trainingslager wieder eingestiegen bin, wollte ich dem Coach zeigen, dass ich alles geben werde, um dauerhaft beim ersten Team dabei zu sein“, reflektiert Christensen. Es ist genau diese Mentalität, die der Ungar so an seinem Schützling schätzt. „Ich mag Gustav. Er ist ein guter Junge, hat Schnelligkeit, ist diszipliniert und arbeitet hart. Außerdem gibt er nie auf, hat Riesenpotenzial. Dieses Potenzial herauszuholen, ist unsere Aufgabe“, unterstreicht Dárdai.
Viel Unterstützung – viele Spitznamen
Nicht nur den Trainer überzeugte das fleißige Talent mit seiner Art. Die Mitspieler halfen ihm von Anfang an beim Eingewöhnungsprozess. „Als ich ankam, hatte ich im Hinterkopf, dass es zunächst vielleicht etwas schwierig sein könnte, in der Kabine anzukommen. Aber das war überhaupt nicht der Fall. Alle waren so nett und freundlich zu mir und haben mir direkt das Gefühl gegeben, dass ich dazugehöre“, berichtet der Mann aus Ikast, den kurzzeitig auch noch ein Landsmann unterstützte. „Olli Christensen war in den drei gemeinsamen Wochen auch sehr wichtig für mich, es hilft sehr, wenn jemand deine Muttersprache spricht. Und jetzt, wo ich regelmäßig Minuten bekomme, fühle ich mich erst recht voll ins Team integriert. Ich komme total gerne in diese Kabine“, lächelt Gustav, für den die Mitspieler viele verschiedene Spitznamen haben. „Einige Teamkollegen nennen mich Gusto, andere Gusti oder Gus – Gustavo kam auch schon vor. Und Flo Niederlechner sagt gerne Gustl“, grinst unser Däne, der zu vielen Kollegen einen guten Draht hat. „Mit Bence verbringe ich ab und zu Zeit, auch mit Passi (Pascal Klemens, Anm. d. Red.). Ich spreche auch viel mit Bilal Hussein, er ist ein lustiger Typ – ich nenne ihn meinen kleinen Bruder, obwohl er älter als ich ist“, schmunzelt der Offensivmann.
Hamburg? „Die emotionalste Partie meiner Karriere“
Zusätzlich zum guten Miteinander in der Kabine sind unsere Jungs auch durch gemeinsame errungene Erfolge zusammengewachsen. Die vergangenen Tage mit drei Pflichtspielsiegen in Serie stellten dabei den vorläufigen Höhepunkt dar. „Diese Woche war für uns als Team wie auch für den gesamten Verein unglaublich. Es war nach dem Pokalspiel zu spüren, was das für die Fans bedeutet“, sagt Christensen mit leuchtenden Augen. „Die Partie gegen Hamburg war die emotionalste meiner bisherigen Karriere! Gerade das Elfmeterschießen. Ich war dermaßen nervös, obwohl ich nicht geschossen habe. Zum Glück hatten wir einen guten Keeper und das bessere Ende für uns. All das auf dem Platz zu erleben, vor 60.000 Fans – ein Riesenerlebnis!“
[>]Es war nach dem Pokalspiel zu spüren, was das für die Fans bedeutet. Die emotionalste Partie meiner bisherigen Karriere, ein Riesenerlebnis![<]
Beinahe wäre dieses noch außergewöhnlicher geworden, als unsere Nummer 26 per Kopf am ersten Tor für die Profis schnupperte – im Salomon-Kalou-Gedächtnis-Look, mit blau-weißem Turban. „Durch die Bandage hatte ich wenig Gefühl beim Kopfball und bloß versucht, den Ball möglichst gut aufs Tor zu bringen. Es ging alles wahnsinnig schnell. Ich habe aber das Gefühl, dass es bald mit meinem ersten Treffer klappt, darauf arbeite ich hin und komme dem Ziel immer näher“, zeigt sich der Youngster optimistisch.
Möglicherweise ist es ja beim Jahresfinale gegen den VfL Osnabrück (16.12.23, 13:00 Uhr, Tickets hier) so weit. Wichtiger als die persönliche Premiere ist dem Herthaner aber spürbar der mannschaftliche Erfolg. „Es ist das letzte Spiel vor der Pause, in das wir noch einmal alles reinlegen müssen. Jeder von uns möchte sich mit einer guten Performance verabschieden. Wir müssen kämpfen, gut zusammen verteidigen und wollen so die drei Punkte holen“, sagt Christensen. Was wird dafür entscheidend? „Wir dürfen nicht zu viel über Osnabrück nachdenken, sondern müssen uns auf unser Spiel konzentrieren. Wenn wir den Ball kontrollieren, kontrollieren wir auch das Spiel – und wenn uns dann ein Tor gelingt, müssen wir dranbleiben und die Partie zumachen“, skizziert der Jütländer.
Silvester am Brandenburger Tor
Es wäre der gelungene Abschluss eines außergewöhnlichen Jahres – für Hertha BSC, wie auch für Gustav Christensen. Zum Abschalten danach hat der vielseitige Däne bereits klare Pläne. „Ich werde nach Hause zu meiner Familie fahren. Zu Silvester werden wir dann gemeinsam wieder nach Berlin reisen, um hier zu feiern. Ich bin ein großer Fan von Feuerwerk und wir werden uns das gemeinsam am Brandenburger Tor anschauen“, verrät der 19-Jährige. Danach hat er mit seinen Teamkollegen noch einiges vor.
Harte Arbeit & ein Ohrwurm
„Wichtig wird sein, dass wir erfolgreich ins neue Jahr starten. Ich hoffe, dass wir dann noch die Chance haben, in die Top drei vorzustoßen. Jeder von uns arbeitet hart dafür.“ Und dann ist da ja noch eine Sehnsucht, für die der Sommerneuzugang schnell ein gutes Verständnis entwickelt hat. „Im Pokal noch weiter vorzustoßen, wäre ein großes Ding. Ich habe immer noch die Gesänge der Fans im Ohr: „Pokalfinale, Pokalfinale…“ Mittlerweile singen das auch einige Jungs in der Umkleide – ich sitze neben Kempfi (Marc Kempf, Anm. d. Red.) und er stimmt es oft an“, berichtet Christensen lachend, um dann ernster hinzuzufügen. „Wir würden diesen Traum so gerne erfüllen. Das wird unglaublich schwierig, aber möglich ist es!“ Es wäre eine weitere Premiere, die der Däne an der Spree erleben würde. Wie man an Herausforderungen wachsen kann, hat er seit dem Sommer selbst bewiesen.