Ante Čović lächelt in die Kamera.
Akademie | 22. Juli 2022, 19:18 Uhr

„Für den einen oder anderen positiven Ausreißer bereit“

Bereits vier Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt ist Ante Čović startklar: Der U23-Cheftrainer sitzt überpünktlich auf der Trainerbank im Trainingslager in Polen und wartet auf seinen Gesprächspartner. Diese Randnotiz ist symbolisch für das bisherige Auftreten des 46-Jährigen und seiner Mannschaft in Polen: unsere Regionalliga-Auswahl ist bereit für 2022/23 – und das trotz vieler personellen Veränderungen im Sommer. „Es ist faszinierend, welchen Eigenantrieb die Jungs momentan besitzen. Wir haben einen großen Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft. Die Spieler wissen, dass es keine Geschenke gibt und möchten daher keine Einheit verpassen – alle wollen zum Saisonstart auf dem Platz stehen“, betont der Übungsleiter zufrieden. An welchen Inhalten der gebürtige Berliner mit seinen Schützlingen während des Trainingslagers in Polen arbeitet, wie sich die neuen Gesichter bisher präsentieren und was sich unsere U23 für die neue Runde vorgenommen hat, verrät Čović im Gespräch mit herthabsc.com.

herthabsc.com: Ante, die ersten Tage im Trainingslager in Polen liegen hinter uns. Wie sind deine bisherigen Eindrücke von den Bedingungen hier?
Čović: Das ist schon faszinierend, wir haben hier mit absoluten Profis zu tun, es wird an alles gedacht und es fehlt uns gar nichts. Das ist außergewöhnlich gut. Es ist auch keine Normalität, dass drei Mannschaften aus unserer Akademie ein Trainingslager gemeinsam absolvieren – das zeigt uns aber, wie viel Wert unser Verein auf die Nachwuchsarbeit legt.

herthabsc.com: Vor allem an den ersten zwei Tagen haben die Temperaturen an den 40 Grad gekratzt. Ihr habt euer Pensum dennoch wie geplant abgespult: Wie gut ziehen die Jungs mit?
Čović: Es ist faszinierend, welchen Eigenantrieb die Jungs momentan besitzen. Wir haben einen großen Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft. Die Spieler wissen, dass es keine Geschenke gibt und möchten daher keine Einheit verpassen – alle wollen zum Saisonstart auf dem Platz stehen. Jeder, der uns kennt, weiß, dass es keinen Ersatz für Leistung gibt – und gegen Leistung wehrt sich kein Trainer, das gilt auch für uns (schmunzelt).

herthabsc.com: Welche inhaltlichen Schwerpunkte behandelt ihr im Trainingslager?
Čović: In den ersten Wochen unserer Vorbereitung haben wir uns damit beschäftigt, unser Offensivspiel anzukurbeln und den Jungs unsere Spielidee zu zeigen. Hier in Polen ist unser Schwerpunkt ganz klar die Defensivarbeit. Wir wollen aktiv verteidigen, den Gegner lenken, permanent Balleroberungen erzielen und konzentriertes Gegenpressing spielen – daran arbeiten wir zurzeit intensiv.

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Die Ergebnisse sind nicht so wichtig, viel entscheidender ist, was auf dem Rasen passiert. Wir wollen, dass die Jungs gewisse Inhalte bedienen, wenn wir zeitgleich schon erfolgreich sind, ist es natürlich umso schöner.
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-Ante Čović

herthabsc.com: Drei Testspiele habt ihr bereits absolviert, zwei weitere folgen in den nächsten Tagen. Was möchtest du in diesen Partien von deinen Jungs sehen?
Čović: Die Ergebnisse sind nicht so wichtig, viel entscheidender ist, was auf dem Rasen passiert. Wir wollen, dass die Jungs gewisse Inhalte bedienen, wenn wir zeitgleich schon erfolgreich sind, ist es natürlich umso schöner. Es war ein Achtungserfolg, dass wir gegen einen Drittligisten (3:1 gegen Hallescher FC, Anm. d. Red.) gewonnen haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit, spricht aber dafür, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon ordentlich als Mannschaft auf dem Platz funktionieren. Wohlwissend, dass wir eine sehr junge Truppe haben und dass es während der Saison Leistungsschwankungen geben wird.

herthabsc.com: Du sprichst die Schwankungen an: Es ist beinahe schon eine ungewollte Tradition, dass wir uns in der Hinrunde schwertun, in der Rückserie dann aber liefern.
Čović: Das stimmt leider (schmunzelt). Wir nehmen uns jede Saison vor, dass wir die Hinrunde genauso starten, wie wir die Rückrunde abgeschlossen haben. Das kannst du natürlich verhindern, wenn du mit demselben Kader in die anstehende Spielzeit gehst. Aber unsere Philosophie in der U23 ist eine andere: Wir wollen vielen jungen Talenten die Möglichkeit geben, im Männerbereich Fuß zu fassen. Ein guter Jugend- ist nicht gleich ein guter Männerspieler – es wird sich zeigen, wie lange unsere neuen Jungs aus der U19 brauchen, um sich an die Gegebenheiten zu gewöhnen. Davon wird auch abhängig sein, ob wir eine bessere Hinserie als in der zurückliegenden Runde spielen.

herthabsc.com: Schauen wir mal konkret auf unseren Kader: Über zwölf Abgänge, mehrere neue Jungs aus der A-Jugend plus drei externe Neuzugänge. Wie schätzt du das Team für 2022/23 ein?
Čović: Wir haben eine unglaublich homogene Truppe. Die Neuzugänge haben sich brutal gut integriert und ihre Rolle im Team bereits gefunden. Wir werden zu Saisonbeginn noch einige Wochen brauchen, aber sind guter Dinge, dass wir zeitnah das auf dem Platz umgesetzt bekommen, was wir sehen wollen. Wir haben trotz schmerzhafter Abgänge wie Timur Gayret unsere Qualität im Kader erhöht und einen guten Kern zusammen. Die Jungs sind lernwillig und für den einen oder anderen positiven Ausreißer bereit!

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Wenn ich egoistisch nur auf uns gucken würde, könnte ich einen bestimmten Tabellenplatz als Ziel ausgeben. Aber darum geht es nicht: Wir als U23 dienen dem Verein und wollen unsere Spieler auf dem Weg zu den Profis bestmöglich unterstützen.
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-Ante Čović

herthabsc.com: Eine kleine Besonderheit haben wir in diesem Jahr: Erstmals unter deiner Leitung haben wir mehr als drei Spieler, die älter sind als 23 Jahre. Aus welchem Grund und birgt das auch Risiken zwecks fehlender Spielzeiten für den einen oder anderen?
Čović: Risiken hätte es mit sich gebracht, wenn wir diese Konstellation von Anfang an nicht so klar mit den Jungs kommuniziert hätten. Philip Sprint soll als älterer Torwart die jungen Keeper als eine Art Vaterfigur begleiten, er wird den Jungs mit seiner Erfahrung besser machen. Auf dem Feld haben wir vier ältere Spieler – jeder von ihnen kennt seine Rolle. Wir wünschen uns, dass die Älteren nicht so zahlreich auf dem Platz stehen müssen, denn das würde bedeuten, dass es die Jüngeren sehr gut machen. Aber ohne die Älteren wird es auch nicht funktionieren – ein guter Mix ist entscheidend.

herthabsc.com: Auch im Trainerteam gibt es ein, zwei neue Gesichter. Was erhoffst du dir von den frischen Impulsen?
Čović: Marc Regeler ist für uns als neuer Torwarttrainer kein Unbekannter, da er ein Kind der Akademie ist und wir uns schon häufig über den Weg gelaufen sind. Er ist extrem froh, dass er nun den nächsten Schritt gegangen ist und bei uns in der U23 ist. Marc macht seine Sache sehr gut, hat sich überragend an uns angepasst. In Paul Kaminiczny haben wir einen neuen Spielanalysten, er ist engagiert und tut uns gut. Die ersten Abstimmungen mit allen Beteiligten aus dem Staff klappen hervorragend.

herthabsc.com: Zum Abschluss eine Frage, die nicht fehlen darf: Wie lauten eure blau-weißen Ziele für 2022/23?
Čović: Wenn ich egoistisch nur auf uns gucken würde, könnte ich einen bestimmten Tabellenplatz als Ziel ausgeben. Aber darum geht es nicht: Wir als U23 dienen dem Verein und wollen unsere Spieler auf dem Weg zu den Profis bestmöglich unterstützen. In der vergangenen Saison hatten wir drei U23-Spieler, die einen Profi-Vertrag unterschrieben haben – das ist eine brutale Quote. Wenn uns das in der kommenden Saison wieder gelingt oder es sogar einer mehr wird, haben wir unseren Job erfüllt – und das ist für uns mehr wert als Tabellenplatz fünf oder sechs in der Regionalliga.

von Simon Jötten