
Vorbild & verlängerter Arm
Als Änis Ben-Hatira am 24. Februar 2007 sein Bundesligadebüt feierte, waren Maik Afri Akumu, Diart Gashi, Egor Greber, Niklas Hildebrandt, Boris Mamuzah Lum und Jelani Ndi noch nicht einmal geboren. Was den 36-Jährigen und die sechs Youngster dennoch eint? In der laufenden Saison liefen sie schon gemeinsam für unsere U23 auf. Hier der Routinier, der insgesamt über 100 Mal im deutschen Oberhaus zum Einsatz kam und dessen Erfahrungen auch auf Europapokalabende sowie Länderspiele basieren. Da die Talente, die sich ganz am Anfang ihrer Karriere befinden. „Änis ist für die Mannschaft auf und neben dem Platz extrem wichtig“, verrät Rejhan Hasanović. Der selbst gerade einmal 33-jährige Chefcoach unserer Bubis konkretisiert: „Er will sich immer verbessern und gewinnen. Ein richtiger Vollprofi eben. Von seiner Mentalität und seinem Ehrgeiz können sich die anderen Jungs eine Scheibe abschneiden.“ Auch deshalb verzichtet der Übungsleiter im Grunde nie freiwillig auf seinen Kapitän.

Zwei Tore als Paradebeispiele für Kreativität
Für Ben-Hatira stehen 2024/25 schon 22 Auftritte sowie vier Treffer und vier Vorlagen in der Regionalliga Nordost zu Buche. Das Spiel des gebürtigen Berliners lebt dabei wie eh und je von einer großen Kreativität. In Fleisch und Blut übergegangene Körpertäuschungen gehören genauso zum Repertoire wie Hackentricks. Inzwischen lässt sich der Offensivakteur auch gerne tiefer fallen, um selbst Angriffe zu initiieren. Das Dribbling auf dem Flügel und die strammen Abschlüsse – ob mit links oder rechts – vernachlässigt unsere Nummer 10 aber trotzdem nicht. Wie die erwähnten Zahlen belegen, übt das gegnerische Tor nach wie vor eine starke Anziehungskraft auf den elffachen tunesischen Nationalspieler aus. Dabei macht sich der U21-Europameister von 2009 hin und wieder auch eine nicht-trainierbare Schlitzohrigkeit zunutze, wie jüngst zwei besonders sehenswerte Erfolgserlebnisse bewiesen: Während der Herthaner zu Hause gegen den FC Eilenburg den Ball nach perfekter An- und Mitnahme frech über den Keeper ins Netz lupfte, beförderte er ihn auswärts beim FC Viktoria 1889 geistesgegenwärtig aus großer Distanz per Freistoß ins verwaiste Eck.
Enges Verhältnis zum Trainerteam
Bei Aktionen wie diesen wird klar, was Ben-Hatira meint, wenn er sagt: „Ich fühle mich nicht wie 36.“ Der Blau-Weiße unterstreicht: „Dank des Trainerteams bin ich wieder in Form und Rhythmus gekommen. Natürlich gehören auch Eigenverantwortung und Selbstdisziplin dazu. Solange ich Spaß und einen Mehrwert für das Team habe, will ich weitermachen.“ Jener Mehrwert besteht eben nicht nur darin, für Torgefahr zu sorgen, sondern den Teamkollegen eine gewisse Orientierung zu geben. „Ich will als Vorbild vorweggehen, ihnen Maßstäbe aufzeigen, die es bei den Erwachsenen braucht. Denn der Berliner Weg sieht vor, die Jungs auszubilden und an den Profibereich heranzuführen. Meine Aufgabe ist es, dabei zu helfen“, betont der Mann mit der Binde, der auf dem Platz regelmäßig den Weg zur Coachingzone sucht und als verlängerter Arm der Übungsleiter fungiert. „Rejhan und ich haben ein sehr, sehr gutes Verhältnis. Der gegenseitige Respekt steht über allem – trotz seines Alters ist er mein Trainer und damit der Chef. Gleiches gilt für Admir (Hamzagić, Anm. d. Red.) und Fugger (Tony Fuchs, Anm. d. Red.). Alle im Trainerteam ergänzen sich optimal und leisten überragende Arbeit“, erklärt der Angreifer.

„Lernprozesse gehören dazu“
Zwischenzeitlich kletterten unsere Hauptstädter in einer anspruchsvollen Spielklasse sogar bis auf Tabellenplatz 2. „Das System und die klare Spielphilosophie tragen in dieser schwierigen Liga zur Leistung bei. Wir bieten einen sehr ansehnlichen Fußball an und haben in Bezug darauf sogar eindeutig zu wenig Punkte geholt“, skizziert Ben-Hatira. Tatsächlich fuhren die Bubis zuletzt seltener Zählbares ein und rutschten nach lediglich einem Remis aus den vergangenen sieben Begegnungen auf den zehnten Rang des Gesamtklassements ab. „Solche Lernprozesse gehören dazu. Es gilt, den nächsten Schritt zu machen – in Sachen Körperlichkeit, Lebendigkeit, Reife. Darauf kommt es an, wenn die Jungs ihren Zielen näherkommen wollen“, weiß der Blau-Weiße aus eigener Erfahrung nur zu gut.

Hertha BSC als Heimat eines Weitgereisten
Erstmals wechselte der Junge aus dem Wedding im Jahr 1999 von den Reinickendorfer Füchsen zu unserer Alten Dame, in der Folge trug er bis 2005 die Fahne auf der Brust. Über Tennis Borussia, den Hamburger SV sowie eine zwischenzeitliche Leihe zum MSV Duisburg kehrte Ben-Hatira im Jahr 2011 zu unserem Hauptstadtclub zurück. Für unsere Profis absolvierte der Edeltechniker bis 2016 wettbewerbsübergreifend 77 Partien, in denen ihm 17 Tore und 13 Vorlagen gelangen. Nach weiteren Stationen in Deutschland, der Türkei, Tunesien, Ungarn und Griechenland verschlug es den Weitgereisten im Jahr 2023 zum dritten Mal zu unserer Alten Dame. „Ich glaube, dass ich niemandem mehr beweisen muss, was ich für Hertha BSC empfinde. Hertha BSC ist der Verein, mit dem ich groß geworden bin. Der Verein, für den ich immer in der Bundesliga spielen wollte. Der Verein, mit dem ich mich identifiziere. Durch meine Adern fließt blau-weißes Blut“, beschreibt Ben-Hatira eine ganz intensive Beziehung. Aus dem Talent von einst ist längst ein Vorbild und verlängerter Arm geworden.