Die Grafik für den Herthanermoment von Pierre Kosinsky.
Fans | 22. April 2025, 10:50 Uhr

Dieser Moment, als ich Herthaner wurde

War es der erste Schal, den eure Eltern euch auf dem Weg zum Spiel gekauft haben? War es der erste durchs Olympiastadion hallende Hertha-Fangesang, der euch nachhaltig beeindruckt hat? Oder doch die Kunststücke einzelner Blau-Weißer auf dem grünen Rasen – von Ete Beer über Marcelinho bis hin zu Marko Pantelić? Jede Herthanerin und jeder Herthaner hat einen eigenen Weg in unsere blau-weiße Familie. Unser Hauptstadtclub sucht genau diese Geschichten – diesen Moment, als ihr Herthaner geworden seid.

Die Fahne als Eintrittskarte

Ein allseits bekannter Spruch auf Fanschals lautet: „Danke Papa, dass du mich damals mit ins Stadion genommen hast!“ Diese Worte beschreiben für viele Fans den Beginn ihrer blau-weißen Leidenschaft. So auch von Pierre Kosinsky, der vor vielen Jahren sein Herz an unsere Alte Dame verlor.

Aufgeregt lief der junge Pierre im Jahr 1993 über den Olympischen Platz. An der einen Hand sein Vater, in der anderen eine Hertha-Fahne. Die Eintrittskarte, wie der damals Achtjährige vermutete. Schließlich trugen etliche Menschen um ihn herum ein ähnliches Exemplar und waren auf dem Weg zum Spiel. „Ehrlich gesagt wusste ich nicht, dass mein Vater Tickets dabei hatte. Ich dachte, ich würde nur mit meiner Fahne ins Stadion kommen und habe es deshalb als Selbstverständlichkeit gesehen, vor dem Stadion eine zu kaufen“, erzählt der gebürtige Tegeler belustigt. „Den dazu passenden blau-weißen Schal habe ich mir von meinem Vater natürlich auch direkt schenken lassen – ich besitze ihn bis heute!“, berichtet der Herthaner stolz.

Kein geringeres Spiel als das DFB-Pokalfinale gegen Bayer 04 Leverkusen stand an jenem Tag auf dem Programm und direkt beim ersten Besuch betrat der angehende Fan das ausverkaufte Olympiastadion. Alles war angerichtet für einen großen Abend und einen Eintrag in die Geschichtsbücher von Hertha BSC. Nicht aber die Profis des Hauptstadtclubs standen im Endspiel, sondern die Bubis. Eine der vielen legendären Geschichten aus unserer Vereinshistorie. Die Werkself hatte bereits im Achtelfinale unsere Profis aus dem Wettbewerb gewurfen und traf nun auf unser Nachwuchsteam aus der Regionalliga. Die Auswahl von Jochem Ziegert war im Laufe des Turniers bereits als Sieger aus den Duellen mit dem 1. FC Nürnberg oder Hannover 96 hervorgegangen. Im erfolgreichen Halbfinale gegen den Chemnitzer FC hatte außerdem Frank Zanders „Nur nach Hause“ sein Debüt gefeiert. Pierre Kosinskys Premiere folgte im Endspiel.

Pierre Kosinsky und sein Vater stehen mit Herthinho im Olympiastadion.
Pierre Kosinsky und sein Vater stehen mit Herthinho im Olympiastadion.

Der Start einer Vater-Sohn-Leidenschaft

„Es war alles so laut und so voll. Das kannte ich so noch nicht und es hat mich direkt beeindruckt und mitgerissen“, schwärmt der mittlerweile 40-Jährige. „Wir hatten Plätze auf der Gegengerade und eine sehr gute Sicht auf das Spielfeld – damit war ich als kleiner Junge sehr zufrieden!“ Dass die Herthaner knapp mit 0:1 unterlagen, war im ersten Moment schade für den kleinen Pierre. „Mit Andreas Schmidt und Christian Fiedler konnte ich aber direkt zwei zukünftige Hertha-Legenden bestaunen“, erzählt Kosinsky. Außerdem stellte das Spiel viel mehr den Start einer riesigen Vater-Sohn-Leidenschaft dar. „In den folgenden Jahren sind wir ständig zusammen ins Stadion gegangen. Das hat uns nochmal sehr zusammengeschweißt. Außerhalb der Spieltage war Hertha sowieso immer Thema bei uns“, verrät der Berliner. Seit über 20 Jahren ist der heutige Wilmersdorfer inzwischen schon Mitglied unserer Alten Dame.

Später wurden die Spieltage des Hauptstadtclubs zum Arbeitstag von Kosinskys Vater. „Fast zwei Jahrzehnte hat mein Vater vor dem Stadion Bier ausgeschenkt. Sein Stand war für mich und meine Freunde immer der Treffpunkt vor dem Anpfiff“, erzählt der Blau-Weiße. „Da hatten wir beide dann auch nochmal die Möglichkeit, uns zu sehen und uns auf das Spiel einzuschwören.“ Mittlerweile ist Kosinskys Vater Rentner und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, regelmäßig ins Stadion zu gehen.

Ein besonderer Stadionbesuch

„Nachdem mich mein Vater zum ersten Mal mit ins Stadion genommen hatte, habe ich mich während der Corona-Pandemie revanchiert“, erzählt der blau-weiße Anhänger. „Dank der Aktion ‚Hertha hilft‘ haben wir eine Einladung zu einem Spiel erhalten. Ich durfte mit meinem fast blinden Vater auf der Tribüne hinter den Trainerbänken sitzen. Das war ein ganz besonderer Stadionbesuch. Sowohl für ihn als auch für mich.“

Inzwischen entwickelt sich auch die nächste Kosinsky-Generation zum Herthaner. Mit seinem zweijährigen Sohn, der auch schon Mitglied ist, saß der stolze Papa erstmals beim Heimspiel gegen Hannover 96 in der vergangenen Saison im Stadion. „Ich möchte die Vater-Sohn-Tradition sehr gerne fortführen, denn auf mich trifft definitiv der allseits bekannte Spruch zu“, unterstreicht Pierre Konsinsky.

von Johannes Boldt