
Dieser Moment, als ich Herthaner wurde
War es der erste Schal, den eure Eltern euch auf dem Weg zum Spiel gekauft haben? War es der erste durchs Olympiastadion hallende Hertha-Fangesang, der euch nachhaltig beeindruckt hat? Oder doch die Kunststücke einzelner Blau-Weißer auf dem grünen Rasen – von Ete Beer über Marcelinho bis hin zu Marko Pantelić? Jede Herthanerin und jeder Herthaner hat einen eigenen Weg in unsere blau-weiße Familie. Unser Hauptstadtclub sucht genau diese Geschichten – diesen Moment, als ihr Herthaner geworden seid.
Eine gelungene Überraschung
Niklas Engel staunte nicht schlecht. Für einen Achtjährigen war das gerade etwas viel. Alles neu, alles überraschend und gleichzeitig so schön. Yıldıray Baştürk und Marcelinho nahmen die komplette Defensive vom FC Schalke 04 auseinander und ließen den Traum von der Rückkehr in die UEFA Champions League leben. Und dann war da noch die Choreografie mit den Toilettenpapierrollen, die die Fans in der Ostkurve warfen und ein fantastisches Bild erzeugten. Aber waren es überhaupt Toilettenpapierrollen? Oder eher Kassenrollen? Das weiß der Herthaner nicht mehr so genau. Es war einer der vielen Eindrücke, die er damals sammeln durfte. Engel beschreibt diese Momente als „magisch“.
Das an jenem Tag im April 2005 restlos ausverkaufte Olympiastadion platzte aus allen Nähten. Der Anpfiff des Spiels musste wegen des Gedränges an den Eingängen sogar eine Viertelstunde nach hinten geschoben werden. Auch das hatte Engel gar nicht mehr auf dem Schirm. Der Spross war viel zu gebannt von dem Spektakel. „Als kleiner Junge nimmt man alles sehr groß wahr. Das ist das Stadion zwar heute auch noch, aber damals hat mich das komplett beeindruckt“, berichtet der Fan. Und noch dazu konnte er sich nicht einmal auf dieses Erlebnis vorbereiten: Seine Familie hatte ihm vor der Anreise nicht gesagt, wo es überhaupt hingehen würde. Die Überraschung war gelungen. „Der erste Schritt ins Stadion und der ganze Ausblick ins weite Rund waren einfach krass!“
Sofort fühlte er sich als Teil der Fans und wollte das auch optisch unterstreichen: „In der Halbzeitpause musste mir meine Mutter direkt einen Schal und ein Trikot kaufen gehen“, erinnert sich der Eberswalder. Der kleine Niklas war praktisch im Handumdrehen mit dem blau-weißen Virus infiziert. „Ab dem Moment war Hertha BSC mein Verein!“ Als Schüler war ihm unser Hauptstadtclub zuvor bereits allseits ein Begriff: „Ich hatte schon mitbekommen, dass Hertha ein großes Ding ist und was der Verein Menschen aus Berlin und Brandenburg bedeutet. Ich kannte auch ein paar Herthaner in meiner Schule. Und irgendwann hat meine Mutter, die überall als ‚die Herthanerin‘ bekannt war, beschlossen, mich mitzunehmen“, erinnert sich der mittlerweile 28-Jährige.

Eine Mutter-Sohn-Leidenschaft
Dass Engel ausgerechnet eines der besten Spiele der damaligen Saison gesehen hatte, unsere Hauptstädter besiegten den späteren Vizemeister mit 4:1, förderte natürlich die Begeisterung: „Ich habe damals alles, was möglich war, von und über Hertha konsumiert. Ich brauchte das“, berichtet der Herthaner. „Das Ende der Saison war bitter. Das spiegelte auch ein bisschen unsere geliebte Hertha wider. Wenn man endlich nach etwas Großem greifen kann, rutscht man aus“, beschreibt Engel die Alte Dame. Hertha verpasste den Einzug in die Königsklasse, nachdem am 34. Spieltag nur ein torloses Remis gegen Hannover 96 heraussprang.
Der Saisonausgang hielt den heutigen Bankangestellten aber nicht davon ab, weiterhin die Blau-Weißen mit Leib und Seele zu unterstützen. „Ich habe mit meinem Enthusiasmus meine ganze Familie angesteckt. Aber das war gar nicht so schwierig. Ein kleiner Junge kann Erwachsene ja nochmal auf eine andere Art begeistern“, erzählt der Anhänger augenzwinkernd. In den folgenden Jahren entwickelte sich Hertha zu einer Mutter-Sohn-Leidenschaft. Seine Eltern besorgten ihm auch seinen größten Schatz im Hertha-Kontext. „Bei einer Auktion haben sie ein Paar Schuhe von Arne Friedrich ersteigert. Die haben bei mir zu Hause natürlich einen Ehrenplatz. Trotzdem habe ich schon drei oder vier Mal mit denen gespielt. Einfach fürs Feeling“, erzählt der Amateurfußballer lachend. „Als Linksverteidiger bin ich Fan von Deyovaisio Zeefuik. Der haut sich immer voll rein, ich kann mich mit ihm ganz gut identifizieren“, lacht der Freizeitkicker.
Mittlerweile ist Engel verheiratet und hat einen Sohn, der noch nicht ganz zwei Jahre alt, aber dank seines Vaters bereits Mitglied bei den Blau-Weißen ist. „Ich sage immer, dass meine Frau und mein Sohn das Wichtigste im Leben sind. Danach kommt direkt Hertha BSC. Und ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, als die selben großen Augen bei meinem Sohn, die ich damals gemacht habe, als ich zum ersten Mal den Verein spielen sehen habe.“