
Abgeklärte Allzweckwaffe
Es war im vergangenen September. Natürlich im September. Unsere 1. Frauen gastierten am 4. Spieltag der laufenden Saison in der Regionalliga Nordost beim 1. FFV Erfurt und spielten nach zweimaligem Rückstand einen 5:2-Auswärtserfolg heraus. Ronja Borchmeyer trug sich gleich doppelt in die Liste der Torschützinnen ein. Dabei zählt der Abschluss nicht gerade zu den Hauptaufgaben der defensiven Mittelfeldspielerin. Insgesamt kommt unsere Nummer 2 auf vier Treffer in 37 Pflichtspielen mit der Fahne auf der Brust – allesamt erzielt im neunten Monat des Kalenderjahres: einen in 2023, drei in 2024. Rückblickend bewertet die Herthanerin den Auftritt in Thüringen im Gespräch mit Redakteur Erik Schmidt trotz ihrer beiden Erfolgserlebnisse selbstkritisch: „Ich messe meine Leistung nicht an Toren. Aus diesem Grund war ich nach diesem Spiel auch etwas unzufrieden mit mir.“ Eine Aussage, die den Charakter der ebenso bescheidenen wie ehrgeizigen 18-Jährigen bestens widerspiegelt. Manuel Meister zeigt sich – angesprochen auf seine Allrounderin – auch deshalb voll des Lobes. „Ronja ist eine tolle Persönlichkeit, die als Fußballerin eine faszinierende Entwicklung genommen hat“, betont der Coach unserer Blau-Weißen.

Eine, die die Mitspielerinnen gut aussehen lässt
So kam Borchmeyer zunächst als Achterin zu unserer Alten Dame, rückte auf dem Spielfeld aber im Laufe der Zeit immer weiter nach hinten: Erst auf die Sechs, dann sogar phasenweise in die Innenverteidigung. Doch ganz gleich, wie Meister seine Stammkraft auch einsetzt, kann sich der Übungsleiter auf Ronja verlassen. „Die meisten erkennen ihre Qualität erst, wenn sie nicht dabei ist“, unterstreicht der Trainer. Die Herthanerin fällt mit ihrer Spielweise auf den ersten Blick womöglich weniger auf als offensivere Teamkolleginnen, weiß aber spätestens bei genauerer Betrachtung auf ganzer Linie zu überzeugen. „Sie ist eine typische Mannschaftsspielerin – stopft Löcher, beläuft Räume, kümmert sich um die Restverteidigung, sorgt für die nötige Balance und lässt dabei andere gut aussehen“, erklärt Meister. „Solange das Trainerteam und meine Mitspielerinnen wissen, was ich ihnen geben kann, reicht mir das“, verrät Borchmeyer, die sich sowohl ganz hinten als auch weiter vorne wohlfühlt, schmunzelnd.

Ohne Fleiß kein Preis
Doch nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz hilft dabei ein vorbildlicher Fleiß. So investiert die in Beelitz lebende Herthanerin für jede Übungseinheit viel Zeit in An- und Abreise. Mal mit dem Zug, mal dem Auto. „Sie tut das, weil sie es unbedingt will und diesen Sport liebt“, weiß Meister. Ronja selbst sagt: „Ich trainiere gerne und freue mich eigentlich immer darauf. Außerdem gibt es ganz viele Dinge, die ich verbessern kann.“ In der Winterpause arbeitete Borchmeyer deshalb auch individuell an Athletik und Technik, nutzte die seltene Freizeit aber auch für Unternehmungen mit Freundinnen und Bekannten.

Viel Selbstbewusstsein dank höhepunktreicher Monate
Mit der Aufgabe beim SV Blau-Weiss Hohen Neuendorf im Viertelfinale des Berlin-Pokals am Dienstag (11.02.25, 19:00 Uhr) beginnt schließlich die heiße Phase der Vorbereitung auf die Rückrunde. „Die Vorfreude auf diese Partie ist groß, der Wettbewerb cool. Es geht wieder um etwas, wir können eine Runde weiterkommen und müssen das Ganze demzufolge sehr ernst nehmen – denn die Gegnerinnen werden es uns nicht einfach machen“, skizziert die Blau-Weiße die Herausforderung. Worte, die auch von einer deutlich erfahreneren Spielerin stammen könnten. Worte, die den Coach der 18-Jährigen bestätigen. „Man vergisst sehr häufig Ronjas Alter. Auch, weil sie mit einer unglaublichen Abgeklärtheit agiert“, verdeutlicht Meister. Selbst in größter Bedrängnis behält unsere Nummer 2 die Ruhe und lässt sich so gut wie nie vom Ball trennen. Borchmeyer, zu deren Ritualen es gehört, beim Auflaufen der Teams stets als letzte Herthanerin den Rasen zu betreten, meint dazu: „Vor den Spielen bin ich schon auch aufgeregt. Aber das legt sich dann meist schnell. Im Moment hilft natürlich das Selbstbewusstsein.“ Dieses Selbstbewusstsein resultiert aus ereignis- und höhepunktreichen Monaten. Sei es das Duell mit dem VfL Wolfsburg, der Derbysieg beim FC Viktoria Berlin, die Berufung zum DFB-Lehrgang oder die Vertragsverlängerung bei unserem Hauptstadtclub. So soll es auch in der zweiten Saisonhälfte, die in der Regionalliga Nordost am 9. März (So., 13:30 Uhr) zu Hause gegen den Bischofswerdaer FV 08 startet, weitergehen. „Wir sind ein cooles Team und haben einen wirklich guten Zusammenhalt. Ich glaube an das Projekt und möchte erfolgreich sein. Persönlich will ich weiterhin viel spielen und meine Leistungen bringen“, blickt Borchmeyer voraus. Eventuell gelingt der abgeklärten Allzweckwaffe dabei auch das eine oder andere Tor – es muss ja nicht immer im September sein.