
„Ins Punkten kommen“
Am Vormittag hatte Stefan Leitl seine erste Trainingseinheit auf dem Schenckendorffplatz geleitet, am frühen Nachmittag stellte sich der neue Chefcoach schließlich in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor. Neben dem 47-Jährigen nahmen auch dessen Assistent Andre Mijatović sowie Sportdirektor Benjamin Weber auf dem Podium Platz. „Wir möchten jeden Einzelnen mitnehmen – das betrifft nicht nur den Staff und die Mannschaft, sondern auch das Umfeld. Wir brauchen jegliche Energie. Denn es geht darum, den Turnaround zu schaffen, endlich wieder das Gefühl eines Sieges zu spüren und ins Punkten zu kommen“, erklärte Leitl. Die Protagonisten sprachen außerdem über…
… die Entscheidungsfindung:
Benjamin Weber: Hinter uns liegt eine intensive Woche. Zum Anfang möchte ich erstmal im Namen von Hertha BSC ein großes Dankeschön an Cristian Fiél und Jaime Monroy richten – für ihre Arbeit, ihren Einsatz, ihre Akribie, ihre Leidenschaft und ihre Menschlichkeit! Wir haben schon nach dem Spiel gegen Kaiserslautern gemeinsam analysiert, wie die Situation aussieht und es weitergehen soll. Timon Pauls und ich haben uns in der vergangenen Woche mit Stefan und Andre getroffen und sehr lange diskutiert. Dabei haben wir schnell gemerkt, dass wir da eine gemeinsame Ebene finden. Deswegen sind wir sehr froh, dass wir ein sehr erfahrenes Trainerteam für uns gewinnen konnten. Man muss noch eins sagen: Wir haben in Düsseldorf ein gutes Spiel gemacht, uns nur nicht belohnt. Wir haben keine Mannschaft gesehen, die gegen den Trainer spielt. Am Ende ist Fußball aber ein Ergebnissport. Leider haben wir in den vergangenen Wochen vier Niederlagen verzeichnen müssen. Sodass wir dann zu dem Entschluss gekommen sind, diese Entscheidung zu treffen. Stefan und Andre sind jeweils als Spieler und als Trainer aufgestiegen. Sie stehen für den Weg, den wir mit unserer Kaderstruktur, die viele junge Spieler beinhaltet, gehen wollen. Das beweist allein ein Blick auf ihre Vita und die Talente, mit denen sie in Hannover und Fürth gearbeitet und die sie weiterentwickelt haben: David Raum, Jamie Leweling, Fabian Reese oder auch Maximilian Beier.

… die ersten Eindrücke:
Stefan Leitl: Wir konnten in den zurückliegenden sieben Wochen ein bisschen die Akkus aufladen und etwas reflektieren. Aber als der Anruf von Benny kam, war die Pause schnell ad acta gelegt. Wir sind sehr froh, jetzt hier zu sein. Die vergangenen Tage waren sehr ereignisreich und mit großer Vorfreude auf Berlin verbunden. Wir sind am Montag angekommen, haben unseren Staff sowie auch schon den einen oder anderen Spieler kennengelernt und uns lange ausgetauscht. Es war ein guter Einstieg für uns. Wir konnten es nicht abwarten, mit den Jungs auf den Platz zu kommen. Die erste Einheit war sehr intensiv und hat großen Spaß gemacht.
Andre Mijatović: Ich habe überlegt, welche Erinnerungen auf mich zukommen. Der Kaiserdamm ist immer noch genauso lang wie früher. Berlin ist genau so groß wie früher. Auch das Olympiastadion ist genauso groß wie früher (grinst). Also insgesamt viel Bekanntes. Ich kenne den Verein und weiß, welche Erwartungen es gibt. Ich habe gute Zeiten und weniger gute Zeiten erlebt. Das gehört alles dazu. Nun sind wir hier, um den Verein voranzubringen.
… die Ziele für die ersten Wochen:
Leitl: Wir haben noch drei Einheiten, um uns auf Nürnberg vorzubereiten. Wir kennen die Jungs und die Mannschaft, müssen aber erst ein Gespür für sie bekommen. Deswegen werden wir viele Gespräche führen und am Freitag energetisch an unser Limit gehen. Wir stellen dieses Spiel in den Vordergrund, um drei Punkte zu holen und die weiteren Maßnahmen dann in den kommenden Wochen voranzutreiben. In der Mannschaft ist alles, was man braucht, um erfolgreich zu sein. Wir haben Erfahrung, wir haben Talent und viele andere Attribute, die wir auf das Feld bringen wollen. Die Mannschaft hat bereits bewiesen, zu was sie im Stande ist – und das wollen wir dauerhaft herauskitzeln, in dem wir den Jungs Vertrauen und Mut zusprechen. Dabei möchten wir jeden Einzelnen mitnehmen – das betrifft nicht nur den Staff und die Mannschaft, sondern auch das Umfeld. Wir brauchen jegliche Energie. Denn es geht darum, den Turnaround zu schaffen, endlich wieder das Gefühl eines Sieges zu spüren und ins Punkten zu kommen.
… die Beziehung zwischen Trainer und Co-Trainer:
Leitl: Wir sind über die Jahre authentisch geblieben. Es geht darum, dass jeder die Aufgaben in seinen Bereichen erfüllt. Andre ist aufgrund seiner Vita ein ganz wichtiger Faktor für die Defensive, wir teilen uns da die Aufgaben. Insgesamt ist er für mich ein ganz wichtiger Ansprechpartner und nicht einfach nur ein Co-Trainer – wir verstehen uns als Team. Wir haben immer einen guten Austausch. Es kracht auch mal, aber immer im Sinne der Sache. Deswegen bin ich sehr froh, dass er bei mir ist – vor allem hier in Berlin. Denn er kennt den Verein, das Umfeld sowie die Stadt und verfügt einfach über einen Erfahrungsschatz, der uns gut tun wird.
Mijatović: Es ist bekannt, dass wir nicht nur Kollegen, sondern Freunde sind. Wir haben erst in Ingolstadt zusammengespielt, dann dort als Jugendtrainer zusammengearbeitet und danach auch im Profiteam. In Fürth sind wir schon auf die Idee gekommen, zusammenziehen, da wir ohnehin viel über Fußball reden und eine ähnliche Familiensituation haben. So hat sich das entwickelt. Nun müssen wir uns noch besprechen, was die Zukunft in Berlin bringt (lacht). Aber im Ernst: Wir sind hier, um gute Arbeit zu leisten. Für Stefan ist es gut, eine vertraute Person an seiner Seite zu haben. Ich habe gezeigt, dass ich loyal bin und meine Rolle gut interpretieren kann.

… die eigene Spielidee und die Einbindung von Talenten:
Leitl: Wir wollen über das Ballbesitzspiel kommen, dabei aber auch nicht die Prioritäten der 2. Liga außer Acht lassen. Es ist eine intensive, zweikampfstarke Liga. Eine Liga, in der in der Vergangenheit viele Mannschaften mit physischen Qualitäten erfolgreich waren. Das muss alles im Einklag stehen. Aber am Ende des Tages geht es natürlich darum, Spiele zu gewinnen. Um etwas zu entwickeln, braucht man Zeit. Die musst du dir über Ergebnisse erarbeiten. Deshalb ist es jetzt wichtig, das anzunehmen, was wir haben und vielleicht ein paar Kleinigkeiten zu verändern. Jeder einzelne Spieler ist verpflichtet, Leistung zu bringen und sich maximal in das Team einzubringen. Dann kommt in den kommenden Wochen sicher auch unser Stil dazu. In den frühen Jahren meiner eigenen Karriere bin ich an physische und mentale Grenzen gestoßen. Ich glaube, das sind Erfahrungswerte, die mir im Umgang mit jungen Spielern guttun. Ich kann dementsprechend beurteilen, was junge Spieler brauchen, um den Schritt in den Profibereich zu schaffen. Das ist eine sehr schöne Herausforderung. Es ist bekannt, dass wir junge Spieler fördern und fordern wollen. Das passt zu Hertha. Wir haben hier einen unfassbaren Fundus an jungen Talenten und eine tolle Akademie. Das ist der Berliner Weg. Wir werden versuchen, diesen zu einhundert Prozent mitzugehen.
… Hertha BSC:
Leitl: Wir haben uns über die Jahre hinweg immer über Hertha unterhalten, weil es für Andre eine sehr besondere Station war. Das hat sich in den Gesprächen immer widergespiegelt. Er hat nur positiv über den Verein gesprochen. Als die Möglichkeit jetzt kam, war uns schnell klar, dass wir das unbedingt machen wollen.
Mijatović: Grundsätzlich hat sich die Bedeutung von Hertha BSC nicht groß verändert. Es ist die Hauptstadt hier – und in meinen Augen ist Hertha BSC die Nummer eins der Hauptstadt. Aber wir müssen auch die Realität annehmen, denn die heißt: 14. Tabellenplatz. Da gehört es dazu, ein paar Dinge anzupassen. Ich habe hier früher eine großartige Unterstützung von den Fans erlebt – aber auch zuletzt, als die Ergebnisse nicht so erfolgreich waren. Wir appellieren von unserer Seite, dass sie so weitermachen. Die Mannschaft hat gezeigt, was sie kann – die Ergebnisse haben nicht immer mit den Leistungen übereingestimmt. Aber ich hoffe, dass sich das schnell ändert.