„Es geht um Konzentration, Konsequenz, Konstanz!“
Die Hinrunde 2024/25 war für Hertha BSC von Aufs und Abs geprägt. Mit Blick auf die Platzierung unserer Profis nach 17 Zweitligaspielen erklärt unser Sportdirektor Benjamin Weber: „Wir haben zu wenig aus unserem Potential herausgeholt und es leider nicht geschafft, unseren Fans, die uns das ganze Jahr unglaublich unterstützt haben, im Olympiastadion erfolgreiche Heimspiele zu liefern. Da sind wir in der Rückrunde in der Bringschuld.“ Erfreulicher fällt der Blick des gebürtigen Berliners auf die Geschlossenheit und das Miteinander innerhalb der Hertha-Familie aus. „Wir haben sehr vertrauensvoll auf allen Ebenen zusammengearbeitet. Hierfür möchte ich mich bei der Geschäftsführung, dem Präsidium, unseren Mitgliedern und Fans ganz herzlich bedanken.“ Seine sportlichen Erwartungen für 2025 bringt unser Sportdirektor mit einer Alliteration auf den Punkt: „Im Wesentlichen geht es um drei Dinge: Konzentration, Konsequenz, Konstanz!“ Im Interview mit Redakteur Konstantin Keller äußert sich Weber außerdem zu Personalplanungen, Entwicklungen im sportlichen Bereich und verrät, worauf er sich im neuen Jahr freut.
Benny, die Hinrunde ist beendet, ein ereignisreiches halbes Jahr liegt hinter unserem Verein. Wie fällt deine Zwischenbilanz aus?
Benjamin Weber: Durchwachsen. Wir haben mit 22 Punkten und Platz 12 zu wenig aus unserem Potential herausgeholt. Gerade zu Hause ist unsere Bilanz schlecht. Wir haben es leider nicht geschafft, unseren Fans, die uns das ganze Jahr sowohl zu Hause als auch auswärts unglaublich unterstützt haben, im Olympiastadion erfolgreiche Heimspiele zu liefern. Da sind wir in der Rückrunde in der Bringschuld! Nichtsdestotrotz dürfen wir die Gesamtumstände nicht außer Acht lassen, die aber nicht als Entschuldigung gelten dürfen: Wir haben und hatten mit Fabian Reese, John Anthony Brooks, Kevin Sessa, Linus Gechter, Jeremy Dudziak, Michał Karbownik, Marten Winkler, Diego Demme und zum Teil auch Marius Gersbeck eine unglaubliche Verletzungsmisere zu verkraften, die natürlich Einfluss auf unsere Leistungen und Ergebnisse hatte.
Nach dem Heimspiel gegen Münster gab es erstmals auch kritische Töne von den Rängen, nachdem unsere Fans dem Team zuvor immer leidenschaftlich den Rücken gestärkt hatten. Wie hast du das wahrgenommen?
Weber: Wir haben gerade nach dem Ausgleich in der zweiten Halbzeit kein gutes Spiel gemacht, das war von uns viel zu wenig. Für das letzte Heimspiel hatten wir uns viel vorgenommen, da wir unsere Fans in dieser Saison zu Hause oft enttäuscht haben. Deswegen kann ich die Reaktionen verstehen, da sie natürlich auch enttäuscht gewesen sind. Es liegt an uns, dies im neuen Jahr gerade im Olympiastadion besser zu machen.
Bevor wir einen gemeinsamen Ausblick wagen, würden wir mit dir gerne auf das vergangene halbe Jahr zurückschauen – beginnend beim Transferfenster im Sommer. Sechs neue Spieler, dazu 13 Abgänge und Leihgeschäfte: Diese Phase war erneut arbeitsreich für dein Team und dich. Wie fällt deine Zwischenbilanz aus?
Weber: Für den Rahmen, der uns zu Verfügung stand, sind wir zufrieden. Mit Kevin Sessa und Jay Brooks konnten verletzungsbedingt zwei Spieler ihre Qualitäten noch gar nicht richtig zeigen, auch Diego Demme stand uns zwischenzeitlich fast zwei Monate nicht zur Verfügung. Natürlich müssen wir an dieser Stelle auch über Haris Tabaković und Marc Oliver Kempf sprechen: Bei beiden mussten wir auch mit Blick auf unsere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dem Wechselwunsch zustimmen.
Welche Überlegungen sind bei den Neuzugängen besonders aufgegangen, wo erhofft ihr euch noch weitere Entwicklungen und Fortschritte?
Weber: Die Verpflichtungen für das zentrale Mittelfeld haben uns eine größere Variabilität verschafft: Der Transfer von Michaël Cuisance war ein Glücksgriff. Micka hat trotz seines jungen Alters schon sehr viel erlebt und zeigt sich bei uns als absoluter Vollprofi, der sehr, sehr hart an sich und für die Mannschaft arbeitet. Ich denke, dass ihm jetzt die Pause auch mal ganz guttun und er dann zu Beginn der Rückrunde auch wieder etwas frischer sein wird. Bei Kevin Sessa hoffe ich, dass er verletzungsfrei bleibt, sodass er in der Rückrunde für uns ein wichtiger Faktor werden wird – genauso wie Diego Demme, der uns mit seiner Erfahrung in der Rückrunde weiterhin helfen wird. Wir erhoffen uns außerdem, dass bei Luca Schuler und Jón Dagur Thorsteinsson in der Rückrunde der Knoten platzt. Ich denke, gerade für Jón wird es wichtig sein, dass er endlich ein Erfolgserlebnis in Form von Toren oder Assists bekommt.
Ein wichtiger Neuzugang nahm mit seinem Team auch auf unserer Bank Platz. Cristian Fiél steht nun ein halbes Jahr in der Verantwortung als Chefcoach. Wie hast du ihn und seine Arbeit in den ersten sechs Monaten an der Spree erlebt?
Weber: Er ist sehr akribisch, arbeitet extrem detailliert und individuell mit unseren Spielern. Zudem besticht er durch seine emotionale, nahbare und authentische Art. Der Trainer hat sich sehr gut in unserem Umfeld eingefunden und man spürt täglich seine Energie und Leidenschaft, auf und neben dem Platz mit der Mannschaft und den Spielern zu arbeiten.
Die Spieler als Stichwort: Neun Akteure aus unserer Akademie kamen im Hinrundenverlauf bereits zum Einsatz, vier weitere schafften bereits den Sprung in den Kader. Boris Mamuzah Lum wurde zum jüngsten Spieler in unserer Vereinsgeschichte. Das sind beeindruckende Zahlen und Belege für den Erfolg des Berliner Weges. Gab es dabei Entwicklungen und Geschichten, die dich besonders begeistert haben?
Weber: Jeder einzelne Spieler aus dem Nachwuchs hat seine eigene Geschichte. Bobo war schon im letzten Jahr oft im Training dabei und hat sich seine ersten Einsätze verdient. Die Entwicklung von Derry Scherhant in den vergangenen Monaten freut mich zudem sehr und Ibo Maza beweist Woche für Woche seine ganz besonderen Qualitäten. Zu Beginn der Saison hat auch Linus Gechter eine sehr positive Entwicklung gezeigt und war bis zu seiner Verletzung auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir hoffen, dass er schnell wieder hundertprozentig fit wird!
Einige der Jungs hast du schon angesprochen: In Linus Gechter, Tjark Ernst, Márton Dárdai und Ibrahim Maza haben mehrere junge, talentierte Spieler im Hinrundenverlauf ihre Verträge verlängert. Wie ordnest du diese Personalien ein?
Weber: Sie sind alle wichtige Bausteine in unserer sportlichen Planung. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir mit ihnen Verlängerungen realisieren konnten, um Planungssicherheit zu haben. Es ist ein wesentlicher Baustein im Rahmen des Berliner Weges jungen, hochtalentierten Spielern die Perspektive im Profifußball aufzuzeigen und sie idealerweise langfristig an uns zu binden – auch wenn wir wissen, dass der eine oder andere gegebenenfalls irgendwann auch einen anderen Weg einschlagen wird.
Bei der Mitgliederversammlung haben die Angehörigen unserer Alten Dame klar für Ruhe und Kontinuität votiert und die Ausführungen unserer Geschäftsführer Tom Herrich und Ralf Huschen ebenso wohlwollend wahrgenommen wie deine und Zeckes Berichte. Ihr beide hattet zudem kurz zuvor eure Verträge verlängert. Kannst du beschreiben, wie sich dieses Vertrauen der Hertha-Familie auf deine und eure Arbeit auswirkt?
Weber: Es freut einen natürlich, dass man nach diesen sehr intensiven und herausfordernden zwei Jahren dieses Vertrauen für den Berliner Weg bekommt. Wir haben in schwierigen Zeiten und unter nicht einfachen Rahmenbedingungen sehr vertrauensvoll auf allen Ebenen zusammengearbeitet und konnten in Ruhe unseren Aufgaben nachgehen. Hierfür möchte ich mich einfach noch einmal bei der Geschäftsführung, dem Präsidium, unseren Mitgliedern und Fans ganz herzlich bedanken.
Wie erlebst du die tägliche Zusammenarbeit auf der Geschäftsstelle und die Entwicklung unseres Vereins insgesamt?
Weber: Nach dem schwierigen Jahr mit dem Abstieg und der herausfordernden finanziellen Situation können wir inzwischen wieder nach vorne schauen. Die Kolleginnen und Kollegen in allen Direktionen machen einen tollen Job. Hier ist neben der Profimannschaft natürlich auch die Arbeit in unserer Fußball-Akademie ein sehr wichtiger Baustein. Dort arbeiten täglich die vielen Mitarbeitenden mit großem Engagement und Herzblut für unsere blau-weißen Talente. Der Einsatz dort, von der Fußballschule über die Partnervereine, von den Mannschaften im Klein- bis zum Großfeld bis hin zur Zusammenarbeit im Verbundsystem mit der Sportschule im Olympiapark – all das bildet das Fundament, um die nächsten Top-Talente auszubilden. Daneben ist die Entwicklung in unserer Frauen- und Mädchenabteilung sehr positiv. Wir konnten in der Hinrunde sportlich tolle Spiele zeigen, zum Beispiel die Begegnungen im DFB-Pokal oder das siegreiche Derby gegen den FC Viktoria Berlin. Auch hier ist die Unterstützung unserer Fans beeindruckend! Unser Ziel ist es, dass wir uns auch in diesem Bereich stetig weiterentwickeln und Stück für Stück die infrastrukturellen Rahmenbedingungen verbessern wollen.
Lass uns abschließend noch einmal auf die sportliche Situation bei unseren Profis schauen. Unser Team hat immer wieder starke Partien gezeigt, aber gerade zu Hause den einen oder anderen Punkt zu viel abgegeben. Wie kann es zukünftig gelingen, diese Probleme abzustellen?
Weber: Im Wesentlichen geht es aus meiner Sicht um drei Dinge: Konzentration, Konsequenz, Konstanz! Wir müssen es schaffen über 90 Minuten die Konzentration hochzuhalten, grobe individuelle Fehler abstellen und einfache Standards gegen uns in der eigenen Hälfte vermeiden. Wir müssen konstanter werden und das Selbstverständnis entwickeln, in einem einzelnen Spiel über die volle Distanz unseren Plan, unsere Aufgaben und unsere Idee umzusetzen. Es bedeutet aber natürlich auch, dass wir Konstanz über mehrere Spiele an den Tag legen müssen. Und: Wir müssen darüber hinaus mutiger und konsequenter auftreten, offensiv den einfachen Pass spielen, den einfachen Abschluss suchen und entschlossen verteidigen. Hierbei geht es insbesondere darum, die individuellen Duelle offensiv und defensiv zu gewinnen und insgesamt als Mannschaft noch mehr diese Gier an den Tag zu legen, all dies über 90 Minuten zu tun, um Partien zu gewinnen.
[>]Stand jetzt denke ich, es wird es für uns ein eher ruhiger Januar, da wir fast eine halbe Mannschaft zurückbekommen werden.[<]
Winterpause bedeutet auch: Transferzeit. Damit einher geht auch immer das eine oder andere Gerücht. Gibt es von eurer Seite bereits Überlegungen, wie unser Verein diese Zeit angehen wird?
Weber: Spekulationen wird es wie immer viele geben. Stand jetzt denke ich aber, es wird es für uns ein eher ruhiger Januar, da wir gerade mit Blick auf die vielen verletzen Spieler wie Karbownik, Reese, Gechter, Winkler, Dudziak und Sessa fast eine halbe Mannschaft zurückbekommen werden. Bei Bilal Hussein wird es leider noch ein wenig länger dauern. Bei Jay Brooks müssen wir schauen, wie der Aufbau im Januar anschlägt.
Nach dem Hinrundenfinale in Hannover steht nun eine kurze Winterpause an, ehe es im Januar schnell wieder los und ins Trainingslager nach Spanien geht. Worauf freust du dich an den Feiertagen am meisten? Und worauf im neuen, blau-weißen Jahr 2025?
Weber: In erster Linie freue ich mich auf ein paar ruhige Tage gemeinsam mit meiner Familie – und im neuen Jahr dann natürlich vor allem auf mehr blau-weiße Heimsiege im Olympiastadion!