Unsere 1. Frauen beim Gruppenfoto mit den Fans.
Club | 7. September 2024, 13:52 Uhr

Ein besonderer Tag

Als Laura Peters am Freitag deutlich vor 8:00 Uhr erwachte, lag eine ruhige Nacht mit einem so tiefen wie erholsamen Schlaf hinter ihr. Und dennoch machte sich die Innenverteidigerin unserer 1. Frauen sofort bewusst: „Heute wird anders!“ Schließlich stand für die 18-Jährige nicht nur – wie gewöhnlich – die Schule auf dem Programm, sondern auch das Duell mit dem VfL Wolfsburg in der 2. Hauptrunde des DFB-Pokals. Zwischen dem Klingeln des Weckers am Morgen sowie der ausgelassenen Stimmung im Stadion auf dem Wurfplatz/Amateurstadion am späten Abend lag ein besonderer Tag für Peters und all die anderen Blau-Weißen – trotz der 0:6 (0:3)-Niederlage.

Laura Peters bedrängt Jule Brand.
Duell mit einer Nationalspielerin: Laura Peters bedrängt Jule Brand.

Immerhin handelte es sich bei den Gästen aus Niedersachen nicht um irgendein Team. Das Aufgebot von Tommy Stroot besteht fast ausschließlich aus aktuellen und ehemaligen Nationalspielerinnen. Die Grün-Weißen, die in der Bundesliga und damit zwei Klassen höher als unsere Herthanerinnen um Punkte kämpfen, gewannen zuletzt zehn Mal in Serie den Cup. Unglaublich, aber wahr! Die jüngste Partie, die die Wölfinnen in diesem Wettbewerb verloren, fand am 16. November 2013 statt. „Angesichts dessen haben wir in Vorbereitung auf diese Begegnung schon ein paar Dinge anders gemacht als sonst“, erklärt Manuel Meister. „Normalerweise sind wir die Mannschaft, die mit dem Ball spielt. Diesmal war aber klar, dass wir verteidigen müssen“, unterstreicht der Cheftrainer unseres Hauptstadtclubs. Der 41-Jährige und sein Trainerteam nahmen dazu am vergangenen Montag das 3:3-Unentschieden des siebenfachen Meisters im Oberhaus gegen Werder Bremen unter die Lupe. „Obwohl wir wussten, wie sie spielen werden, war klar, dass ihre individuelle Qualität so hoch ist, dass sie uns immer wieder vor Aufgaben stellen und wir es nicht über 90 Minuten schaffen werden, jeden Weg zuzulaufen“, betont der Übungsleiter.

(K)eine gewöhnliche Vorbereitung

Da lag es auf der Hand, dass es in einem solchen Aufeinandertreffen vor allem auch auf die blau-weiße Torhüterin ankommen würde: Aaliyah Thomas. „Natürlich waren eine gewisse Aufregung und Anspannung da, aber die Freude hat überwogen“, berichtet die 21-Jährige, die in diesem Sommer vom Hamburger SV zu unserer Alten Dame gewechselt war. „Ich habe vorher versucht, meine typischen Spieltagsroutinen durchzuziehen“, verrät unsere Nummer 23. Dazu zählen Musik sowie Dehn- und Präventionsübungen. „Ich konnte mich zum Glück voll und ganz auf das Spiel fokussieren und habe mich dementsprechend ausgeruht“, erzählt die Keeperin. Peters entspannte sich nach Schulschluss ebenfalls noch einmal – legte sich erst hin und ging anschließend spazieren, um die Konzentration zu schärfen. „Es hat lange gedauert, ehe ich so richtig realisiert habe, dass wir dieses Spiel tatsächlich bestreiten dürfen. Die Aufregung kam dann nach und nach. Das Trainerteam hat uns aber klargemacht, dass wir das Ganze unbedingt genießen sollen. Wir hatten alle Bock“, sagt unsere Nummer 17.

Aaliyah Thomas macht sich groß vor ihrem Tor.
[>]
Ich war relativ entspannt und habe mich vor allem für die Mädels gefreut. Als Trainerteam waren wir insgesamt einfach stolz und froh, dass wir sie dabei begleiten durften.
[<]

-Manuel Meister

Manuel Meister spricht im Kreis zu seinem Team.
Purer Stolz: Manuel Meister spricht nach dem Spiel zu seinem Team.

Knapp zwei Stunden vor dem Anpfiff trafen sich dann alle Spielerinnen – auch die, die nicht im Kader standen – sowie der gesamte Staff. Es folgten die gemeinsame Platzbegehung, hier ein bisschen Smalltalk, dort ein bisschen Smalltalk und endlich das Warm-up. Dabei fiel natürlich auch der eine oder andere staunende Blicke auf die sich füllenden Ränge sowie die sich ebenfalls vorbereitenden Gegnerinnen. „Ich war relativ entspannt und habe mich vor allem für die Mädels gefreut. Als Trainerteam waren wir insgesamt einfach stolz und froh, dass wir sie dabei begleiten durften“, erklärt Meister, der hinzufügt: „Was die Fans abgerissen haben, war schon speziell. Ich hatte durchgehend Gänsehaut!“ Peters bestätigt: „Beim Auflaufen war es atemberaubend! Die Kulisse hat mich gepusht, denn ich habe wirklich gespürt, wie die Leute hinter uns standen.“ So legte sich auch die Anspannung schnell. Der erste gelungene Pass und der erste gewonnene Zweikampf sorgten für zusätzliche Sicherheit. „In den Anfangsminuten habe ich Jule Brand einmal den Ball abgenommen, das hat Spaß gemacht“, erzählt die Defensivakteurin schmunzelnd.

Zwei von drei eigenen Vorhaben erfüllt

Von den drei selbst gesteckten Zielen im Kräftemessen mit dem großen Favoriten erreichten unsere Herthanerinnen zwei: Sie hielten in den ersten 20 Minuten die Null und kassierten über die komplette Dauer nur eine einstellige Anzahl an Gegentreffern. Daran hatte auch Thomas einen entscheidenden Anteil, immerhin zeichnete sich die Schlussfrau durch mehrere Paraden aus. „Die Wolfsburgerinnen waren zwar dominant und körperlich überlegen, aber wir haben sehr gut dagegengehalten. Ich bin sehr stolz auf uns“, resümiert die Blau-Weiße. Peters stellt außerdem anerkennend fest: „Im Antritt sind sie viel schneller gewesen und immer gleich dran. Das war ein großer Unterschied im Vergleich zu unserer Liga.“ Da war es auch zu verschmerzen, dass der erhoffte eigene Torerfolg ausblieb. Die beste Gelegenheit dazu hatte Elfie Wellhausen im ersten Abschnitt, doch Merle Frohms entschärfte im Nachfassen. So machte Meister seinen Mädels nach dem Abpfiff im Kreis zurecht klar, dass ihnen diese Leistung und dieses Erlebnis niemand mehr nehmen könne. „Sie haben eine Top-Mannschaft aus Europa 20 Minuten lang vor Probleme gestellt. Natürlich war klar, dass Wolfsburg zu Chancen kommen würde. Aber wir haben zu keiner Zeit nachgelassen“, fasst der Chefcoach zusammen und verweist mit Blick auf eine vergleichbare Vorjahrespartie auf die positive Entwicklung seiner Auswahl: „Da haben wir gegen Köpenick gespielt, als wir nach 20 Minuten schon deutlich hinten lagen. Ich glaube, dass die Mädels diese Energie und Erfahrung nun positiv für die kommenden Wochen nutzen können.“ Anschließend folgte die Ehrenrunde durch die Spielstätte und damit vielleicht sogar der Höhepunkt dieses besonderen Tages. „Das Feiern mit den Fans war krass. Wir sind sehr, sehr dankbar, dass so viele erschienen sind“, sagt Thomas strahlend, die darüber hinaus – wie viele andere auch – Alexandra Popp und Co. um Selfies bat.

[>]
Der blau-weißen Fanszene gilt ein großer Dank! Genau wie allen Beteiligten, die tatkräftig geholfen und unterstützt haben. Es steckte ein riesiger Aufwand dahinter.
[<]

-Sofian Chahed

Sofian Chahed und Fabian Drescher beim Pokalspiel unserer 1. Frauen.
„Der Frauenfußball ist im Verein angekommen“: Sofian Chahed und Interimspräsident Fabian Drescher.

Auch die Idole aus Wolfsburg registrierten die außergewöhnliche Atmosphäre vor Ort ganz genau. „Sie waren von der Stimmung überrascht. Deswegen gilt der blau-weißen Fanszene ein großer Dank! Genau wie allen Beteiligten, die tatkräftig geholfen und unterstützt haben. Es steckte ein riesiger Aufwand dahinter. Trotzdem hoffen wir, dass wir solche Spiele noch viel öfter spielen können. Die Mädels haben sich sensationell verkauft“, betont Sofian Chahed. Unser Leiter Frauenfußball, der sich an einen eigenen Auftritt im DFB-Pokal an gleicher Stelle mit den Amateuren unseres Hauptstadtclubs im Jahr 2004 gegen den FC Schalke 04 erinnert fühlte, erklärte zudem: „Das Ganze untermauert nochmal, dass der Frauenfußball im Verein angekommen ist und wir auf dem richtigen Weg sind. Nichtsdestotrotz wollen wir die Strukturen weiter so aufbauen, dass wir irgendwann professionellen Frauenfußball bei Hertha BSC haben.“ Einen positiven Nebeneffekt der Veranstaltung stellte obendrein die Tatsache dar, dass die Einnahmen der Getränkestände zu 50 Prozent an die U13- und U15-Junioren und zu 50 Prozent an alle Mädchenteams unserer Alten Dame fließen. Apropos Getränke: Als die Spielstätte wieder nahezu leer war, stießen unsere Blau-Weißen gemeinsam in der Kabine an. Peters zog währenddessen ein abschließendes Fazit zu diesem langen, besonderen Tag: „Ich kann meine Gefühle noch gar nicht richtig beschreiben, denn es war alles wahnsinnig aufregend.“

von Erik Schmidt