Lilli Genthe und Manuel Meister auf dem Rasen.
Club | 14. August 2024, 17:00 Uhr

„Die Mädels haben Lust, Menschen zu begeistern“

Die erste Saison mit der Fahne auf der Brust steckte für unsere 1. Frauen naturgemäß voller Premieren: Erstes Spiel. Erstes Tor. Erster Jubel. Erste gemeinsame Enttäuschung. Erster Sieg. Und am Ende eines ereignisreichen Jahres: Erstes Reflektieren – sowie das anschließende Auf- und Vorbereiten einer neuen Saison. „Die Mädels sind auf einem guten Weg und haben viel Lust, Spiele zu gewinnen und die Menschen sowie sich selbst zu begeistern“, bilanziert Trainer Manuel Meister zum Ende der Vorbereitung auf die Spielzeit 2024/25. Im Olympiastützpunkt Kienbaum haben sich unsere Herthanerinnen zuletzt den Feinschliff für die kommenden Herausforderungen in der Regionalliga Nordost geholt – und zuvor steht ja bereits die nächste Premiere an. Der erste Auftritt im DFB-Pokal! Dabei empfangen die Blau-Weißen den ATS Buntentor (Sa., 17.08.24, 14:00 Uhr) im Stadion auf dem Wurfplatz/Amateurstadion. „Die Besonderheit der Partie ist eine Extramotivation, die Konstellation insgesamt herausfordernd: Man weiß noch nicht ganz, wo man steht. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir uns gut vorbereitet haben“, erklärt unser Coach. Im Gespräch zum Saisonstart mit Redakteur Konstantin Keller äußert sich Meister darüber hinaus zu Verstärkungen auf und neben dem Platz, erfreulichen Entwicklungen im Team und verrät, welche Überschrift er sich für die Saisonbilanz wünschen würde.

Manuel, die Vorbereitung ist nun praktisch beendet, am Samstag geht es endlich wieder los: Das erste Pflichtspiel der Saison 2024/25 steht an. Das ist dabei kein gewöhnliches, sondern vielmehr ein historisches, handelt es sich doch um das erste DFB-Pokalspiel unserer 1. Frauen überhaupt gegen den ATS Buntentor. Auf welchem Stand siehst du dein Team? Wie groß ist die Vorfreude?
Meister: Wie weit wir wirklich sind, werden wir nun sehen, wenn es darauf ankommt. In den Testspielen haben wir die gesamte Bandbreite abgeliefert – von „es läuft wenig“ bis hin zu „heute klappt alles“. Ich hoffe, am Samstag sehen wir letzteres (schmunzelt). Die Besonderheit der Partie ist eine Extramotivation, aber das gilt natürlich auch für den Gegner. Die Konstellation ist insgesamt herausfordernd: Man weiß noch nicht ganz, wo man steht, zudem haben wir einige Schülerinnen, für die die Vorbereitung durch den Urlaub extrem kurz war – und dann noch Berufstätige, die nicht anders Urlaub nehmen konnten und währenddessen noch einmal Ferien machen mussten. Es wird also spannend, aber ich bin zuversichtlich, dass wir uns gut vorbereitet haben. Zudem haben wir den Luxus, den Kader nicht groß verändert zu haben und auf eine gewisse Struktur zurückgreifen zu können. Das sollte ein Faustpfand sein!

Manuel Meister und sein Trainer- und Staffteam.

Diese Struktur habt ihr im Trainingslager weiter geschärft. Ihr habt in Kienbaum hart geackert, dazu die Generalprobe gegen den 1. FFC Hof mit 8:2 gewonnen. Welche inhaltlichen Eindrücke habt ihr mitgenommen? Wie habt ihr die Arbeitsbedingungen erlebt?
Meister: Da können wir Kienbaum nur loben! Die Rahmenbedingungen vor Ort waren super. Zudem gibt es dort Menschen, die unheimlich viel umsetzen und ermöglichen. Ein Beispiel: Am ersten Tag kam der Greenkeeper auf uns zu und fragte, ob der Rasen so in Ordnung sei. Wir haben angesichts der Hitze gefragt, ob es möglich sei, den vor unseren Einheiten zu wässern. Am Nachmittag war das schon passiert, zudem haben sie dann vor jedem Training den Rasen gemäht und gesprengt. Der große Luxus in Kienbaum ist zudem, dass man dort alle Sportarten betreiben und alle Einrichtungen nutzen kann. Von Bogenschießen bis Schwimmen haben wir auch das eine oder andere gemacht und da ist es fast schade, dass wir nur eine Woche da waren. Wir konnten vor Ort den vollen Fokus auf unsere Trainingsinhalte richten, dafür haben die Menschen dort gesorgt. Die Rahmenbedingungen für die Mädels waren toll und wir haben zusammen das umgesetzt, was wir uns erhofft haben.

Zusammen als Stichwort: Acht neue Spielerinnen, drei externe sowie fünf interne Neuzugänge, sind insgesamt zum Kader gestoßen. Wie lief die bisherige Integration?
Meister: Das Trainingslager hat hier einen riesigen Beitrag geleistet. Sarah Duszat hat leider nicht freibekommen, ansonsten haben wir alle Spielerinnen mitgenommen, die wir mitnehmen konnten, auch die verletzten. So zum Beispiel auch Johanna Seifert nach ihrer Blinddarm-Operation. Für ihre Integration war und ist das einfach wichtig und sie ist wie auch Aaliyah Thomas sehr schnell und sehr gut angekommen. Was die jüngeren Spielerinnen angeht: Die, die wir hochgezogen haben, haben mit den jüngeren aus unserer bisherigen Mannschaft teilweise noch zusammengespielt, also ist da ohnehin schon eine gewisse Verbindung da.

Und wer hat beim Einstand am schönsten gesungen?
Meister: Das ist ja immer subjektiv (lacht). Eigentlich können alle ordentlich singen, auch in ganz unterschiedlichen Genres. Das Video von Johanna habt ihr gesehen, der österreichische Akzent war schon überraschend. Sie hat es auf jeden Fall geschafft, die anderen mitzureißen, und das ist einigen anderen auch gelungen. Es war ein lustiger Abend (lächelt).

Auch neben dem Platz hat euer Team Verstärkung bekommen. Sarah Kollek fungiert als zusätzliche Co-Trainerin, zudem komplettieren Max von Wachsmann als Athletik- und Lukas Schäfer als Torwarttrainer die Gruppe. Du hast bereits gesagt, dass euch das hilft, die Rahmenbedingungen für die Mädels zu verbessern. Kannst du beschreiben, in welchen Bereichen ihr bereits positive Veränderungen feststellen könnt? Welche Eindrücke hast du in der bisherigen Zusammenarbeit gesammelt?
Meister: Es ist insgesamt eine Riesenerleichterung für unsere und meine Arbeit. Kolli ist noch ganz neu im Trainergeschäft, bringt aber die Spielerinnenperspektive mit, die maximal wichtig für uns ist – genau, wie der qualitative Inhalt, den sie vermittelt. Natürlich lernt sie noch, aber wir lernen gleichzeitig auch von ihr. Max bringt eine überragende Expertise und zudem auch sehr viel Humor und Persönlichkeit mit in die Gruppe – das ist extrem wichtig für einen Athletiktrainer. Mit seiner Art hat er es geschafft, dass bei den Mädels auch die Einheiten ohne Ball gut angekommen sind. Außerdem hat er gleich noch eine zweite Aufgabe übernommen und unseren angeschlagenen oder verletzten Spielerinnen alternative Trainingsangebote gemacht. Lukas ist maximal motiviert, unsere Torhüterinnen zu verbessern! Er macht Einzel- und Videoanalysen, nimmt sich extrem viel Zeit für die Spielerinnen. In diesem Spezialbereich erhoffen wir uns durch diese engmaschige Betreuung so einiges für sie. Wir können in dieser Besetzung insgesamt noch individueller auf die Mädels und ihre Bedürfnisse eingehen, sie bestmöglich fördern – was der gesamten Gruppe guttut.

Für dich persönlich ist es das zweite Jahr als Cheftrainer bei Hertha BSC. Was sind wichtige Lerneffekte, die du aus eurem gemeinsamen Premierenjahr mitgenommen hast?
Meister: Dass man bei der Arbeit stets die gesamten Rahmenbedingungen nutzen und dabei alle Besonderheiten des Frauenfußballs berücksichtigen muss. Und am Ende ist die größte Herausforderung immer die, den Ansprüchen der Mädels gerecht zu werden, die am Limit gefördert werden möchten. Das ist aber auch das, was mich reizt und mir so viel Spaß an diesem Job bereitet! Sie sind so wissbegierig, dass auch ich mir immer wieder neuen Input holen muss.

Wenn man dich zu euren Spielen befragt, sprichst du gerne über mannschaftliche Entwicklungen und inhaltliche Fortschritte. Eure Idee des Fußballs konntet ihr jetzt bereits ein Jahr lang einüben und etablieren. Welche Schwerpunkte setzt ihr nun? In welchen Bereichen wollt ihr euch besonders weiter verbessern?
Meister: Wir haben eine prinzipielle Spielidee integriert, das System aber regelmäßig geändert, um den größtmöglichen Ausbildungsoutput zu erreichen. Auch jetzt legen wir uns nicht fest, sondern wollen unsere Systeme immer so bauen, dass die maximale Qualität jeder Spielerin auf dem Platz ist. Das größte Ziel muss sein, den Gegner immer vor andere Herausforderungen zu stellen und konstant unsere beste Leistung auf den Platz zu bringen. Die Mädels geben immer hundert Prozent, aber sie sind eben auch noch jung, da sind die Leistungsschwankungen dann noch größer. Deshalb muss das jetzt der nächste Entwicklungsschritt sein: Dieses Team ist wirklich gut, wenn es schafft, auf seinem höchsten Level zu spielen. 80 Prozent reichen nicht, so weit sind wir noch nicht. Aber die Mädels sind auf einem guten Weg und haben viel Lust, Spiele zu gewinnen und die Menschen sowie sich selbst zu begeistern.

Welche Entwicklungen haben dir als Coach zuletzt besonders gut gefallen?
Meister: Unsere Mannschaft ist auf dem Platz relativ ruhig, was auch mit dem Alter zu tun hat. So müssen bzw. mussten Gustav (Kolhoff, Co-Trainer, Anm. d. Red.) und ich relativ viel Input geben – am vergangenen Wochenende war es dann plötzlich so laut auf dem Rasen! Das war faszinierend und ist eine Entwicklung: Die Spielerinnen kennen unsere Idee vom Fußball und wissen nach unserem ersten Jahr, dass sie funktionieren kann. Aber das geht nur, wenn alle diese Idee umsetzen. Dabei pushen sie sich gegenseitig, und das war und ist beeindruckend zu sehen. Die Mädels haben begriffen, dass sie sich am nächsten sein müssen, sich helfen müssen.

Manuel Meister im Kreise seiner Mannschaft.

Siehst du dort das größte Steigerungspotenzial und einen wichtigen langfristigen Eckpfeiler in der Entwicklung des Teams?
Meister: Ich sage den Spielerinnen gerne: Ihr könnt neben dem Platz gerne ruhig sein – aber auf dem Rasen dürft ihr andere Menschen sein. Natürlich werden wir von außen immer alles geben, aber gerade in größeren Stadien sind die Möglichkeiten für Trainer begrenzt. Im Profibereich läuft deshalb auch viel über Automatismen. Es geht um gegenseitiges Vertrauen und darum, die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Noch haben wir die Möglichkeiten, während der Spiele miteinander zu kommunizieren. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem der Trainer eigentlich nur für sich schreit (lächelt). Natürlich geht es um Körpersprache und darum, Energie von außen einzubringen. Im besten Fall schafft es das Team ohne unsere Hilfe, aber wenn es uns braucht, sind wir da.

Abschließend: Welche Überschrift würdest du nach Saisonende gerne auf herthabsc.com über eure Spielzeit lesen? Habt ihr euch tabellarisch und punktetechnisch bestimmte Ziele gesetzt?
Meister: Oha (lacht). Vielleicht so etwas wie: „Die individuelle Entwicklung der Spielerinnen ist positiv und sie haben eine Menge Menschen für den Frauenfußball begeistert.“ Es geht mir darum, dass die Begeisterung der Spielerinnen auf andere überspringt. Ich bin außerdem überzeugt davon, dass eine gute individuelle Entwicklung auch zur Entwicklung der Gruppe beiträgt und sich das auch in Ergebnissen widerspiegelt. Da wollen wir stets ans Maximum kommen. Die Anforderung ist aber insgesamt: Werdet die bestmögliche Spielerin. Ergebnisse kommen und gehen, sind kurzweilig. Ich persönlich empfinde es eher als Erfolg, wenn diejenigen, mit denen ich gearbeitet habe, sagen: Von ihm habe ich etwas gelernt, am besten auf und neben dem Platz. Dabei geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch um Werte. Alle im Staff investieren bei uns neben ihren regulären Jobs sehr viel und wollen, dass sich unsere Spielerinnen bestmöglich individuell entwickeln. Darum geht es!

von Konstantin Keller