Erwin Hermandung wird 80!
Anlässlich seines 80. Geburtstages würdigt das #HerthaMuseum den Werdegang des verdienten Blau-Weißen.
Wechsel mit Anlaufschwierigkeiten
Im Sommer 1970 bekundet Trainer Helmut "Fiffi" Kronsbein sein Interesse an Erwin Hermandung von der gerade aus der Bundesliga abgestiegenen Alemannia aus Aachen. Zunächst scheitert ein Wechsel des aus dem nordrhein-westfälischen Hückelhoven-Baal stammenden Akteurs. Einen Grund nennt Hermandung selbst: „Ich wollte Aachen nach dem Abstieg nicht verlassen. Wir hofften alle auf den Wiederaufstieg.“ Ein Jahr später erneuert Kronsbein seine Forderung mit den Worten: „Ich brauche nach wie vor einen erstklassigen Mittelfeldspieler.“ Daraufhin nehmen die Vereinsvertreter Wolfgang Holst und Schatzmeister Jürgen Mühle erneut die Verhandlungen mit Aachen und Hermandung auf.
Da plötzlich auch die PSV Eindhoven aus der niederländischen Eredivisie starkes Interesse an dem fast 27-Jährigen bekundet, müssen die Berliner alle Register ziehen. Schließlich wechselt Hermandung nach sieben Spielzeiten in der Printenstadt für eine Ablösesumme und unter Vereinbarung von drei zwischen beiden Vereinen auszutragenden Freundschaftsspielen zu Hertha BSC. „Dieser Transfer war der schwerste, den es für mich je gab“, erklärt Holst im Nachgang der langwierigen Verhandlungen. Kronsbein ist unterdessen voller Vorfreude auf seinen Wunschspieler: „Er hat die Kraft zur Leistung, besticht durch seine Übersicht, ist von ungewöhnlicher Dynamik getragen und verfügt über einen großen sportlichen Ehrgeiz, kurz gesagt, er passt genau in unsere Mannschaft.“
[>]Dieser Transfer war der schwerste, den es für mich je gab.[<]
Die „Eiche aus Baal“ als „Berliner Pflanze“
Auf dem Hertha-Platz im Stadion am Gesundbrunnen wird Hermandung mit den weiteren Neuzugängen Erich Beer, Peter Gutzeit, Michael Sziedat und Hans Zengerle offiziell vorgestellt und übernimmt in der Angerburger Allee nahe dem Olympiastadion die ehemalige Wohnung des scheidenden Berliner Torjägers Franz Brungs.
Eine ruhige Eingewöhnung ist für ihn jedoch nur bedingt möglich, denn schon bald schwebt über dem Verein ein Damoklesschwert. Mutmaßliche Spielmanipulationen in der Bundesliga während der vorangegangenen Spielzeit, an denen auch Akteure von Hertha BSC beteiligt gewesen sein sollen, belasten den Verein zunehmend. Letztendlich beenden die vor Saisonbeginn zum Favoritenkreis zählenden Berliner die Bundesliga-Saison auf einem unter diesen Umständen noch zufriedenstellenden sechsten Tabellenrang.
Aufgrund der notwendigen Runderneuerung des Spielerkaders zur Saison 1972/73 mit zwölf Neuzugängen ändert sich auch der Stellenwert Hermandungs. Nach Stürmer Lorenz Horr ist er nun der zweitälteste Stammspieler. Aufgrund seiner Erfahrung muss er fortan eine noch größere Verantwortung für die Mannschaft tragen, zumal mit Beer eine weitere tragende Spielerpersönlichkeit wegen eines Platzverweises im DFB-Ligapokal für die ersten vier Bundesliga-Spiele gesperrt ist.
In dieser angespannten Gesamtsituation können die Herthaner dann auch erst am 5. Spieltag die ersten Punkte verbuchen. Als kurz danach der erfahrene Ludwig Müller als Abwehrchef verpflichtet wird, tritt die Berliner Elf fortan in allen Mannschaftsteilen ausgeglichener auf und beendet diese Übergangssaison auf einem gesicherten 13. Tabellenplatz. Die positive Tendenz setzt sich mit einem achten Tabellenrang in der Saison 1973/74 fort, nachdem Co-Trainer Hans Eder ab dem 26. Spieltag die Verantwortung für die Mannschaft übernehmen musste, weil Kronsbein dem Hilferuf seiner alten Liebe Hannover 96 gefolgt war, um die Niedersachsen vor dem Bundesliga-Abstieg zu retten.
Erfolgreiche Jahre
Unter dem neuen Trainer Georg Kessler ist Hermandung maßgeblich daran beteiligt, dass für Hertha BSC in den folgenden Spielzeiten die erfolgreichste Phase seit den beiden deutschen Meistertiteln der Jahre 1930 und 1931 beginnt. In der Saison 1974/75 werden die Blau-Weißen hinter dem neuen Titelträger Borussia Mönchengladbach überraschend Vizemeister. Im DFB-Pokal erreicht man in der folgenden Spielzeit zum zweiten Mal nach 1964 wieder ein Semfinale, in dem beim 1. FC Kaiserslautern der Einzug in das Endspiel aber noch ein Traum bleibt.
Dieser geht erstmalig in der Vereinsgeschichte von Hertha BSC in der Saison 1976/77 in Erfüllung. Nach einem 1:1 nach Verlängerung gegen den 1. FC Köln im Niedersachsenstadion von Hannover muss der Pokalsieger zum ersten Mal in einem zwei Tage später an gleicher Stelle stattfindenden Wiederholungsspiel ermittelt werden. In der 80. Spielminute und damit kurz nach dem Kölner Führungstreffer von Dieter Müller verlässt Hermandung für den offensiven Jörgen Kristensen letztmalig den Rasen im Trikot von Hertha BSC. Da die Berliner Bemühungen jedoch nicht mehr belohnt werden, bleibt Hermandung nach den insgesamt 210 Spielminuten mit einigen sehr fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen zu Ungunsten der Spreeathener der krönende Abschluss mit bzw. für Hertha BSC verwehrt. Schon vorher ist bekannt, dass sich die Wege nach der Saison trennen, denn die finanzielle Situation des Vereins ist nach wie vor sehr angespannt.
[>]Ich bin mit einem weinenden Auge von Berlin weg. Es war eine tolle Zeit. Da waren wir echt eine super Truppe, die auch zusammengehalten hat.[<]
Der Geburtagsjubilar, der damals sehr gerne noch länger bei Hertha BSC geblieben wäre, resümiert: "Mir hat es in Berlin sehr gut gefallen, sonst wäre ich keine sechs Jahre geblieben. Ich hätte auch dann nicht gekämpft, um noch zwei Jahre länger einen Vertrag zu bekommen. Ich bin mit einem weinenden Auge von Berlin weg. Es war eine tolle Zeit. Da waren wir echt eine super Truppe, die auch zusammengehalten hat."
Im Sommer 1977 wechselt Hermandung für vier Spielzeiten zu Eintracht Trier in die 2. Bundesliga Süd und danach für eine Saison zum Liga-Konkurrenten Spielvereinigung Bayreuth. Im Alter von 37 Jahren kehrt er am 29. November 1981 ein letztes Mal an seine ehemalige Wirkungsstätte zurück. Im Berliner Olympiastadion, wo er mit „Erwin, Erwin“-Sprechchören von den Hertha-Fans gefeiert wird, erringt er mit den Oberfranken am 17. Spieltag der 2. Bundesliga mit einem torlosen Remis einen überraschenden Punktgewinn beim Aufstiegsaspiranten Hertha.
Die Zuverlässigkeit in Person
Erwin Hermandung absolviert in sechs Spielzeiten insgesamt 251 von möglichen 269 Pflichtspielen für Hertha BSC, was einem schier unglaublichen Prozentsatz von 93,30 entspricht. 192 Einsätze (34 Tore) entfallen auf die Bundesliga, wo er verletzungsbedingt in lediglich zwölf Begegnungen passen muss. Im DFB-Pokal bestreitet er 26 von 27 Spielen (fünf Treffer) sowie im UEFA-Pokal sieben von acht Partien (ein Tor). In den offiziellen Intertotorunden-Spielen ist er in 20 von insgesamt 24 Spielen (zwei Treffer) im Einsatz. Zudem steht er 1972 im DFB-Ligapokal in allen sechs Begegnungen (zwei Tore) auf dem Spielfeld. Hinzukommen unzählige nationale und internationale Freundschaftsspiele, mit denen Hertha BSC in den 1970er-Jahren dem Zeitgeist folgend zusätzliche Einnahmen generiert.
[>]Erwin war ein hervorragender Mannschaftsspieler. Er gab in jedem Spiel und im Training immer einhundert Prozent. Auf Erwin war immer Verlass.[<]
Seine unbändige Leistungsbereitschaft spiegelt sich aber nicht nur in diesen sehr beeindruckenden Zahlen wider, sondern auch in den Worten seiner ehemaligen Mannschaftskameraden. „Erwin war eine große Säule für Hertha BSC. Er war derart trainingsbesessen, dass man ihn ab und zu bremsen und ihm sagen musste: Erwin, bitte hebe dir die Kraft für die Bundesliga-Spiele auf. Er hatte einen tollen Charakter, es hat immer Spaß gemacht“, blickt Michael Sziedat zurück, der sich mit Hermandung während der Auswärtsfahrten und den Trainingslagern über die ganzen Jahre ein Zimmer teilt.
Erich Beer, seit 1971 ebenfalls bei Hertha BSC, der die Blau-Weißen ab der Saison 1975/76 als Mannschaftskapitän auf das Spielfeld führt, erinnert sich: „Erwin war ein hervorragender Mannschaftsspieler. Er gab in jedem Spiel und im Training immer einhundert Prozent. Auf Erwin war immer Verlass. Ich war froh, ihn als Mitspieler zu haben.“ Darüber hinaus richtet die Vereinsikone folgende Worte an ihren damaligen Mannschaftskameraden: „Lieber Erwin, alles Gute zum Geburtstag, vor allem Gesundheit, Gesundheit und nochmal Gesundheit. Genieße deinen 80. Geburtstag und lasse Dich verwöhnen. Dein ehemaliger Mitspieler "Ete" Beer.“
Auch die gesamte Hertha BSC-Familie gratuliert Erwin Hermandung von Herzen zum 80. Geburtstag und wünscht ihm einen unvergesslichen Ehrentag im Kreise seiner Liebsten sowie alles erdenklich Gute!