Rückkehrer Julian Eitschberger im Porträt.
Profis | 22. Juli 2024, 18:45 Uhr

Der große Sprung

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“ – das wusste schon der Dichter und Journalist Matthias Claudius. Julian Eitschberger verbrachte die Saison 2023/24 beim Halleschen FC, um sich weiterzuentwickeln und nach einem Jahr als Stammkraft in unserer U23 den nächsten Schritt zu machen. „Es war ein großer Sprung: Ich hatte zuvor noch bei meinen Eltern gelebt und war zum ersten Mal von zu Hause weg. Alleine zu wohnen, sich parallel in einem anderen Team, einer neuen Mannschaft zurechtzufinden und die ersten Male richtig Profifußball zu spielen – das war schon eine Umstellung. Aber ich habe mich schnell angepasst und dann auch wohlgefühlt! Geholfen hat mir auch, dass meine Freundin oft dazu gekommen ist und wir das alles zusammen erlebt haben“, berichtet der 20-Jährige im Austausch mit Redakteur Konstantin Keller.

Durchgebissen, performt und gelernt

Denn in Halle bekam der Herthaner nichts geschenkt. „Es gab schwierige Phasen, gerade am Anfang. Da bin ich auch mal früher ausgewechselt worden. Ich habe aber nicht aufgegeben, nie den Kopf in den Sand gesteckt, sondern im Training wieder Gas gegeben“, unterstreicht Eitschberger, der sich im Saisonverlauf festbeißen konnte. 31 Spiele, ein Tor und drei Vorlagen sind in der dritten Liga beim HFC ihn notiert – und das, obwohl sich der zweifache DDR-Pokalsieger sportlich frühzeitig ins hintere Drittel der Tabelle einsortierte. „Der Abstiegskampf war nicht das, was wir uns als Mannschaft vorgestellt haben. Aber ich persönlich konnte so wichtige Erfahrungen machen, viel spielen, mich weiterentwickeln – und über die Saison habe ich dann auch meine Leistungen gebracht“, bilanziert der Mann aus Hohen Neuendorf. Dass seine ehemalige Leihstation in der aktuellen Saison nur noch viertklassig antreten darf, konnte aber auch er nicht verhindern. „Ein Abstieg ist nichts Schönes, auch als Leihspieler leidet man darunter sehr. Aber aus solchen Rückschlägen muss man gerade als junger Spieler einfach lernen und kann sich zumindest in vielen Momenten Dinge abschauen.“

Julian Eitschberger im Gespräch mit Hertha-Redakteur Konstantin Keller.

Beförderung vom DFB – Vertragsverlängerung beim Herzensverein

Das Lernen und Abschauen klappte so gut, dass der DFB Eitschi parallel beförderte: Einen Monat nach seinem Debüt in der U20 durfte unsere Nummer 2 im Oktober 2023 sogar erstmals in der U21 ran und gab beim 3:2-Sieg gegen Bulgarien direkt eine Vorlage. „Darauf bin sehr stolz, mir wurde gesagt, dass ich der erste Feldspieler aus der dritten Liga war, der auch zum Einsatz kam. Dort und auch vorher schon bei anderen U-Mannschaften dabei sein zu dürfen, diese Erfahrungen zu sammeln und sich mit den besten aus dem eigenen Jahrgang wie auch älteren Spielern messen zu dürfen – ein super Erlebnis“, erzählt der Brandenburger mit leuchtenden Augen.

Die positive Weiterentwicklung des Eigengewächses hatte unser Hauptstadtclub stets im Blick. „Im Winter saß ich mit Benjamin Weber zusammen und habe mit ihm besprochen, wie das erste halbe Jahr in Halle so gelaufen ist. Das Feedback war damals schon positiv. In den Monaten danach sind wir dann konstant im Austausch geblieben, sowohl mit ihm als auch mit Zecke – zumal ich ja immer näher in Richtung der Vertragsverlängerung kam“, erinnert sich Eitschberger, dem deutlich anzumerken ist, wie viel ihm unsere Alte Dame und unsere Stadt bedeuten. „Ich habe Hertha und Berlin sehr vermisst, eigentlich jede Partie verfolgt. Zu Hause, auf Busfahrten – wenn ich nicht gerade parallel gespielt habe, war ich immer dabei“, erzählt der Defensivspezialist und ergänzt schmunzelnd: „Sonst war ich an freien Wochenenden auch mal so in der Stadt, um die Familie zu besuchen. Der Weg war zum Glück ja nicht so weit!“

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Ich habe Hertha und Berlin sehr vermisst, eigentlich jede Partie verfolgt. Zu Hause, auf Busfahrten – wenn ich nicht gerade parallel gespielt habe, war ich immer dabei!
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-Julian Eitschberger

Zukünftig kann der Rechtsfuß dann wieder ganz nah dran sein – und möchte auf anderer Position einem Teamkollegen nacheifern, der nach seiner Rückkehr von einer Leihe im vergangenen Jahr bereits einige Akzente im blau-weißen Trikot setzen konnte: Marten Winkler. „Ich erhoffe mir, dass es für mich genauso wie für Matte laufen kann. Seinen Weg habe ich natürlich verfolgt, er hat es sehr gut gemacht. Jetzt möchte ich dranbleiben und hoffe, dass ich daran anknüpfen kann! In den Gesprächen mit Hertha hat mir der Verein signalisiert, dass man sich das bei mir auch so vorstellt“, gibt der Verteidiger Einblicke in die Überlegungen.

Alter Bekannter im Blick – neue Herausforderungen vor der Brust

Er soll nicht der letzte Akademie-Absolvent gewesen sein, den eine Leihe in die dritthöchste Spielklasse entscheidend weiterbringt. Anfang Juli verlieh unser Verein Tim Hoffmann nach Aue. Ein alter Bekannter, an dessen Seite Eitschberger bereits im Juniorenbereich um Titel gespielt hat. „Ich kenne Hoffi schon lange und das kann ein richtiger Schritt sein: Nach einem Jahr und einigen Spielen in der U23 den nächsten Step in der dritten Liga zu suchen, weil Spielzeit in unserem Alter einfach das allerwichtigste ist. Außerdem ist die Liga sehr körperbetont, der Fußball schneller – so lernt man viel dazu“, erklärt unser Rückkehrer und ergänzt: „Ich werde im Auge behalten, wie es für ihn läuft und drücke ihm die Daumen!“

Julian Eitschberger im Interview.

Schwere Beine und positive Eindrücke aus Tirol

Zunächst liegt der Fokus aber auf der eigenen Arbeit im Trainingslager am Walchsee. Wie erlebt Eitschi die Arbeit in Tirol? „Die Beine sind schon sehr schwer, jeder einzelne Schritt fühlt sich ein bisschen träge an“, schmunzelt der Youngster. „Aber so ist das im Trainingslager, es kommen ja auch wieder die Zeiten, wo wir alle wieder etwas frischer sind!“ Auch inhaltlich ist die Intensität hoch. „Wir arbeiten sehr viel fußballerisch, das war vergangenes Jahr in Halle unter Sreto Ristić und Stefan Reisinger lange Zeit ähnlich“, berichtet unser Abwehrmann. An seinem neuen Chef und dessen Team schätzt er besonders die Akribie. „Ich mag es, wenn viel mit dem Ball und im taktischen Bereich gearbeitet wird, man sich auf jede Situation einstellt, die in den Spielen dann auch vorkommen kann. Die Einheiten sind dadurch lange und intensiv – aber wir machen alles mit dem Ball, was einem als Fußballer natürlich gefällt, so kann es gerne weitergehen“, lächelt der Herthaner.

Detaillierte Vorbereitung für eine lange und herausfordernde Saison – und die Fortsetzung eines großen Traums. Im Trikot mit der Fahne auf der Brust um Punkte kämpfen, am liebsten natürlich im Olympiastadion. Dort debütierte Eitschberger bereits im April 2022, vor ausverkauftem Haus im Derby gegen den 1. FC Union. Es war kein guter Tag für Hertha BSC – doch wie ordnet der damals 18-Jährige diese Momente inzwischen ein? „Ich würde sagen, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das erste Spiel war trotz allem ein riesiges Highlight und ich würde nicht sagen, dass mir die Erfahrungen geschadet haben – aber sie kamen wohl einen Tick zu früh. Inzwischen bin ich reifer und fühle mich für solche Herausforderungen bereit“, reflektiert der Blau-Weiße, der uns noch einmal in diese außergewöhnliche Woche mitnimmt: „Dienstag habe ich zum ersten Mal bei den Profis trainiert, am Samstag stand ich dann schon in der Startelf. Trotzdem war es eine coole Erfahrung und ich bin glücklich, dass ich schon einmal vor einer solchen Kulisse auflaufen durfte. Und bald würde ich so ein Derby gerne mal wieder spielen…“, grinst er.

Julian Eitschberger schlägt im Test gegen Nijmegen einen langen Ball.

Hunger auf mehr

Der Hunger auf weitere Erfahrungen dieser Art ist dem Rechtsverteidiger anzumerken. Auch, als es zum Abschluss des Gesprächs um seine Ziele für die kommende Saison geht: „Ich habe noch oft an dieses erste Spiel im Olympiastadion gedacht. Daran möchte ich anknüpfen, gute Leistungen vor unseren Fans abrufen und zeigen, dass ich wieder da bin und Gas geben will!“ Diese Vorfreude verstärkt unsere Mannschaft, in der er sich direkt wieder wohlfühlt. „Wir haben eine super Truppe zusammen: Viele ältere und erfahrenere Spieler, aber auch etliche junge, die giftig sind und sehr viel anstreben. Wir wollen so erfolgreich wie möglich spielen“, sagt der deutsche U-Nationalspieler. „Ich hoffe, dass wir dann im kommenden Sommer über die anstehende Saison in der Bundesliga und eine positive Entwicklung bei mir sprechen können – das wäre mein Ziel.“ Es wäre der nächste große Sprung für Julian Eitschberger.

von Konstantin Keller