Tim Engelhardt bei einem Fallrückzieher.
Club | 15. Juni 2024, 12:00 Uhr

Auf Sand jebaut: Blau-weißer Beachsoccer

Die untergehende Sonne spiegelt sich im Wasser des Bernsteinsees am Rande von Velten in Brandenburg. Ein Tannenwald am Ufer, Vogelgezwitscher in den Bäumen. Auf diesem Stück Natur hinter einem Dutzend Volleyballfeldern befindet sich die Trainingsstätte der Hertha BSC Beachsoccer-Abteilung. Eine Truppe Jungs, die jeden Sommer ehrgeizig ihr Ziel verfolgt, in der DFB-Beachsoccer Bundesliga die Spitzenplätze zu erreichen. Enya Laun aus der Online-Redaktion hat Übungsleiter Tim Engelhardt und sein Team beim Training besucht, um mehr darüber zu erfahren, was das Spiel im Sand besonders attraktiv macht und welche Ziele die Mannschaft antreiben.

Akrobatikkünstler

Schaut man den Kickern zu, wie sie flink dem rasch wegspringenden Ball hinterherjagen, fallen Unterschiede zum üblichen Rasenfußball auf: Zwar ähneln sich die Bewegungsabläufe, der Spielverlauf mutet jedoch schneller, dynamischer und akrobatischer an. „Grundsätzlich unterscheidet sich das Beachsoccer-Regelwerk nur wenig vom klassischen Feldfußball. Anders geht es jedoch bei Standards zu. Für die Ausführung bleiben uns lediglich vier Sekunden“, erklärt Engelhardt, der selbst im Sand steht, aber auch als Trainer fungiert. Zusätzlich spektakulär werden die Partien durch geschützte Fallrückzieher. Sobald ein Spieler den Ball über dem Kopf positioniert, darf das gegnerische Team diesen nicht mehr berühren. So wird eine präzise Ausführung möglich, die im besten Fall zu einem Tor führt. Übrigens: Eine Partie besteht aus drei Dritteln von jeweils zwölf Minuten, in Realzeit gemessen. Dadurch enden die Begegnungen deutlich frühzeitiger als bei unseren blau-weißen Feldkickern. Außerdem laufen nicht elf sondern fünf Spieler inklusive Torwart auf.

Nationales Kräftemessen im Sand

Unsere Strand-Herthaner sind das einzige Team aus Berlin, das in der Beachsoccer-Bundesliga, organisiert vom Deutschen Fußball-Bund, startet. Hier treffen unsere Hauptstädter jeden Sommer an drei Spieltagswochenenden auf ihre Liga-Konkurrenten aus ganz Deutschland. Die vier besten Teams qualifizieren sich dabei für die Endrunde der Deutschen Beachsoccer-Meisterschaft, in der unsere Jungs zuletzt 2019 um den Titel wetteiferten. „Im vergangenen Sommer waren wir eine Woche lang zum Trainingslager in Marseille und haben dort auch gegen die Mannschaft vor Ort ein Testspiel bestritten. Danach folgten vier weitere Tests hier in Berlin. Wir versuchen uns jedes Jahr zu steigern, um unter die ersten vier Plätze zu kommen“, schildert der 27-jährige Teamleiter, der die Beachsoccer-Abteilung 2016 mitgründete und den Sport bereits seit über elf Jahren ausübt. „Ich habe zunächst regulären Fußball gespielt, von 2002 bis 2005 auch in der Hertha-Akademie. Leider habe ich in der Jugend Probleme mit meinen Knien bekommen und daher nach einer gelenkschonenderen Alternative gesucht. Durch meinen Vater bin ich schließlich zum Sand gekommen“, erzählt der gebürtige Berliner.

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Für uns ist es natürlich wichtig, sportlichen Ehrgeiz im Spiel zu zeigen. Gleichzeitig sind wir wie eine zweite Familie füreinander da. Auf diese Balance kommt es an.
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-Tim Engelhardt

Tim Engelhardt als Teil der deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft 2023.
Tim Engelhardt als Teil der deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft 2023.

Das Besondere an unseren Hauptstädtern? Während konkurrierende Vereine deutschlandweit internationale Spieler für ihre Kader einkaufen, setzt unsere Auswahl auf Eigengewächse. Dafür bilden Engelhardt und seine Co-Trainer Christian Stark und Andy Poburski so viele Spieler wie möglich selbst aus – mit Erfolg. Im aktuellen Aufgebot stehen drei Teammitglieder der Deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft, zwei weitere schafften es 2024 in den erweiterten Sichtungskader. Beim Ausblick auf die kommende Spielzeit geben sich die Zocker realistisch: „Wir haben definitiv gemischte Erwartungen. Heimspiele der Rostocker Robben sind meistens besonders herausfordernd, aber auch Düsseldorf, Münster und München sehen wir als große Herausforderungen. Mit allen anderen Liga-Teams sollten wir uns auch diese Saison wieder auf Augenhöhe messen können.“ Der geplante Auftakt zur Spielzeit 2024 fiel unverhofft ins Wasser: Aufgrund eines Dauerregens konnte der Sammelspieltag am 1. Juni in München nicht stattfinden. Das erste Punktspiel steigt stattdessen nun am 29. Juni in Düsseldorf.

Gemeinschaft als Erfolgsrezept

Derartige Rückschläge stehen unsere Ballakrobaten Hand in Hand durch. Auch abseits des Sandes verbringen sie viel Zeit gemeinsam – und verzichten dafür häufig auf private Unternehmungen: „Für uns ist es natürlich wichtig, Ehrgeiz im Spiel zu zeigen. Gleichzeitig stecken wir einen Großteil unserer Freizeit in diesen Sport. Für viele von uns, die schon eine eigene Familie haben, bedeutet das immer wieder, auch Kompromisse im Sinne der Mannschaft einzugehen“, schildert der Coach, der neben seiner Leidenschaft hauptberuflich als Lehrer arbeitet. Apropos: Wie sieht es mit dem Nachwuchs auf dem sandigen Feld aus? „Wir freuen uns immer über Neuzugänge! Sicherlich ist es von Vorteil, schon mal auf dem Fußballplatz gestanden zu haben, aber grundsätzlich bekommen wir alle fit. Was für uns zählt, ist das sportliche Interesse, eine gesunde Portion Ehrgeiz und Kompatibilität mit dem Team. Der Sport kann am Anfang recht frustrierend sein, daher ist auch Geduld von Vorteil“, rät der erfahrene Spieler interessierten Kickern. Außerdem müssten sich Anfänger zunächst an die Schüsse ohne Schuhwerk gewöhnen.

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Die Identifikation mit dem Verein ist riesig. Wir haben sehr viele Berliner im Team und tragen die Fahne im Herzen.
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-Tim Engelhardt

Ein großes Langzeitziel unserer Beachsoccer-Abteilung: eine eigene Frauen- und Jugendmannschaft. Um dieses Vorhaben zu realisieren, bedarf es unter anderem zentraler Trainingsmöglichkeiten, die auch im Winter dauerhaft zur Saisonvorbereitung nutzbar sind. Sobald die Temperaturen sinken, stehen derzeit Ausdauer- und Krafteinheiten im Fokus, ehe es bei den ersten Sonnenstrahlen wieder nach draußen geht.

Blau-weiße Verbundenheit

Neben dem Ringen um Punkte, verbinden die Werte unseres Sportclubs die gesamte Mannschaft: „Die Identifikation mit dem Verein ist riesig. Uns ist es ein Anliegen, bei jedem Heimspiel von Hertha dabei zu sein. Viele von uns fahren auch regelmäßig begeistert auswärts. Wir haben sehr viele Berliner im Team und tragen die Fahne im Herzen“, verdeutlicht Engelhardt, der bereits seit 2010 im Besitz einer Dauerkarte für die Profimannschaft ist. Auch bei unserem Besuch ist diese Einstellung spür- und sichtbar, denn unser Vereinsemblem ziert ausnahmslos die Outfits aller Mitspieler. „Ohne diese enge Verbindung wäre es unmöglich, so oft das Herzblut in diesen Sport und die Mannschaft zu stecken. Hier wird natürlich niemand gezwungen, Hertha-Fan zu sein“, bezieht der Übungsleiter abschließend Stellung. „Aber beim Training und bei Wettkämpfen ist Kleidung mit der Fahne auf der Brust Pflicht!“, ergänzt der Herthaner mit einem Schmunzeln.

Die Jungs vom Hertha BSC Beachsoccer – eine Truppe, die jeden Sommer alles auf dem Platz gibt, stets die obersten Tabellenplätze im Visier. Zu Hause in Brandenburg, beheimatet in Berlin. Eine eingeschweißte Gemeinschaft mit sportlicher Ambition und blau-weißer Tradition.

von Enya Laun