Kevin Sessa vor dem Berliner Bären.
Profis | 4. Juni 2024, 15:30 Uhr

„Diese Energie treibt mich an“

Angesprochen auf sein Debüt sprudelt es aus Kevin Sessa nur so heraus: „Das war 2018. Mit 17 Jahren. In Kiel“, erinnert sich der Neuzugang unseres Hauptstadtclubs. Damals feierte der Rechtsfuß seine Premiere im Dress des 1. FC Heidenheim – bis heute stand für den Bundesligisten aus Baden-Württemberg kein jüngerer Profi auf dem Rasen. „Das ist einfach schon mehr als sechs Jahre her“, staunt der Mittelfeldspieler, der sich nun für den Schritt zu Hertha BSC entschieden hat. An seinem ersten Tag bei unserer Alten Dame schaute sich der Deutsch-Argentinier in Begleitung seines Vaters Marcelo sowie seines Bruders Dominic die Geschäftsstelle an und erspielte sich an der Tischtennisplatte zehn Euro im Duell mit Andreas „Zecke“ Neuendorf. „Frische Luft und eine neue Herausforderung tun gut. Bei Hertha BSC spüre ich eine besondere Energie – bestehend aus dem Verein, den Fans, dem Stadion und der Stadt. Genau diese Energie treibt mich an“, verrät der 23-Jährige im Gespräch mit Redakteur Erik Schmidt. Außerdem erzählte der gebürtige Stuttgarter von seinen Ambitionen, seinen Torjägerqualitäten und seinen Spitznamen.

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Herzlich willkommen bei unserer Alten Dame, Diego! Du hast dich beim FCH vom Nachwuchsakteur zum gestandenen Profi entwickelt, bist Zweitliga-Meister geworden und hast Bundesliga gespielt. Welche Gründe gaben nun den Ausschlag dafür, zu Hertha BSC zu wechseln?
Kevin Sessa: Die Zeit fliegt. Ich war insgesamt sieben Jahre in Heidenheim und habe jetzt in der Pause viel nachgedacht: Nach dieser langen Zeit tun frische Luft und eine neue Herausforderung einfach gut. Bei Hertha BSC spüre ich eine besondere Energie – bestehend aus dem Verein, den Fans, dem Stadion und der Stadt. Genau diese Energie treibt mich an.

Kannst du dich denn noch an den Moment erinnern, als sich die Möglichkeit auftat, zu unserem Hauptstadtclub zu wechseln? Was ging dabei in dir vor?
Sessa: Tatsächlich, ja (strahlt). Es hieß, dass es Interesse von Hertha gäbe – dann gingen bei mir wirklich gleich die Alarmglocken an. Das war ein schönes Gefühl! Ich dachte mir: Wie geil, dass sich so ein großer und starker Club mit mir beschäftigt.

Welche Ziele verfolgst du bei und mit unserem Hauptstadtclub?
Sessa: Erst einmal möchte ich hier alle kennenlernen, vor allem natürlich die Mannschaft. Bislang hatte ich mit noch niemandem zu tun. Ich freue mich auf die Jungs, ich freue mich auf die Saison und kann kaum erwarten, dass es losgeht.

Du kennst sowohl die 1. als auch die 2. Bundesliga – was sind die größten Unterschiede? Und was entgegnest du Leuten, die deinen Wechsel als Rückschritt bezeichnen?
Sessa: In der 1. Liga ist es, was Taktik und Qualität anbelangt, alles schon noch einmal deutlich besser. Das habe ich in der vergangenen Saison selbst feststellen dürfen. In der 2. Liga zählen verstärkt der Wille und die 50:50-Aktionen. Für mich ist es vielleicht ein Schritt zur Seite, um dann aber wieder Schritte nach vorne zu machen – am liebsten mit Hertha BSC.

Wie würdest du dich selbst als Spieler beschreiben? Auf welcher Position fühlst du dich am wohlsten?
Sessa: Auf der Zehn! Aber auch die Acht gehört zu meinen Lieblingspositionen, auf denen ich mich am stärksten sehe. Ich denke, dass ich den Raum dort gut und schnell überwinden kann – sei es mit Ball im Eins-gegen-eins oder aber mit dem Blick für die Tiefe.

Hast du in den vergangenen Monaten mehr als sonst an deinen Abschlussqualitäten gearbeitet oder wie lassen sich die drei Treffer – darunter ein Erfolgserlebnis beim 3:2-Sieg über den FC Bayern – in den letzten sieben Spielen der zurückliegenden Saison erklären?
Sessa: Nein, mein Abschluss ist eigentlich schon immer top (grinst). Ich kann mit rechts und links ganz gut schießen. Es hatte nur das Selbstvertrauen ein wenig gefehlt. Aber ich habe zum Ende hin dann häufiger von Anfang an gespielt und das Vertrauen vom Trainer, insgesamt mehr Minuten sowie dadurch auch mehr Sicherheit bekommen.

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Da ich Argentinier bin und ein bisschen mit dem Ball zaubern kann, wurde ich wegen Maradona auf Diego getauft.
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-Kevin Sessa

Kevin Sessa im Gespräch.

Du stammst aus einer fußballbegeisterten Familie: Dein Bruder Nicolas spielt in der 3. Liga beim SC Verl, dein Bruder Dominic war viele Jahre in der baden-württembergischen Oberliga aktiv – wie sehr ist Fußball ein Thema bei euch? Wie intensiv tauscht du dich mit deinen Brüdern aus?
Sessa: Papa hat uns so erzogen. Bei uns in der Heimat in Fellbach gibt es eine Halle mit fünf Courts, in der ich schon früher mit meinen Brüdern im Käfig gespielt und alles von ihnen gelernt habe – auch die Mentalität. Was ihnen vielleicht gefehlt hat, haben sie mir umso gründlicher beigebracht. Daher bin ich eine gewisse Mischung aus den beiden und deshalb vielleicht auch der beste von allen. Wir telefonieren jeden Tag und sprechen dabei natürlich auch über Fußball. Der eine wohnt seit einem knappen Jahr in Berlin, der andere in Bielefeld und ich habe zuletzt in Heidenheim gelebt. Wir haben uns also selten gesehen, hatten aber trotzdem immer einen engen Draht. Über den Wechsel haben wir uns auch ausgetauscht, auch wenn ich die Entscheidung am Ende allein getroffen habe. Grundsätzlich helfen mir meine Brüder aber bei allem und sagen mir noch immer, was ich gut gemacht habe und was ich besser machen kann.

Von Heidenheim geht es für dich nun in die Hauptstadt. Wie groß ist deine Vorfreude auf Berlin?
Sessa: Von rund 50.000 Menschen zu dreieinhalb bis vier Millionen – das ist schon ein großer Unterschied. Ich muss mich erstmal daran gewöhnen und mich einleben (schmunzelt). Aber ganz entspannt, step by step. Ich freue mich definitiv auf Berlin – auf die Vielfalt, auf die Leute, auf alles. Ich bin sehr froh, dass mein Bruder auch hier ist. Er kennt sich schon ein bisschen aus. Das ist ganz bestimmt ein Vorteil.

Wir müssen selbstverständlich auch noch über deinen Spitznamen reden: Wie und wann kam es dazu?
Sessa: Ich werde überall Diego genannt – auch von meinen Freunden. Der Name ist in Heidenheim entstanden, als ich das erste Mal bei den Profis war. Es gab relativ viele Kevins – da ich Argentinier bin und ein bisschen mit dem Ball zaubern kann, wurde ich wegen Maradona auf Diego getauft (lacht).

Du hast deine argentinische Herkunft angesprochen: Deine Vorfahren stammen außerdem auch aus Italien – was bedeuten dir deine Wurzeln?
Sessa: Meine Eltern sind beide in Argentinien geboren, meine Großeltern väterlicherseits kommen aus Italien. Ich spreche Spanisch und Deutsch. Italienisch verstehe ich ebenfalls. Für den argentinischen Fußball interessiere ich mich natürlich auch. Mein Vater ist schon immer großer Fanatiker von River Plate – das hat er uns so weitergegeben, deswegen ist es mit den anderen Clubs etwas schwierig (grinst). Natürlich bin ich in Deutschland aufgewachsen, aber in mir fließt definitiv schon noch argentinisches Blut. Blau-Weiß sind meine Farben jetzt demzufolge im doppelten Sinne.

von Erik Schmidt