„Der Ehrgeiz bleibt“
Wer das 30. Lebensjahr vollendet hat, gilt im Fußball gemeinhin bereits als alt – so zumindest das landläufige Urteil. Doch es gibt noch viele begeisterte Fußballer, die auch im erhöhten Alter noch gegen das runde Kunstleder treten möchten und dem Klischee trotzen. „Wir haben ja früher selbst nicht geglaubt, dass man mit 70 noch spielen kann“, sagt Abwehrspieler Michael Rätsch mit einem Schmunzeln. Der Herthaner hat sich mit unserer Ü70 gerade erst den Oldiepokal dank eines Siegs über den SV Buchholz gesichert und damit auch das Double perfekt gemacht. Vor den wetterbedingt in den Februar verschobenen Cupspielen hatten die Blau-Weißen auch den Titel in der Berlin Oldieliga gewonnen. Hunger und Fertigkeit im Umgang mit dem Spielgerät sind bei unseren Berlinern nach wie vor vorhanden. „Wer die Ballbeherrschung hat, der verliert sie auch nicht, egal wie alt. Der Ehrgeiz bleibt ebenfalls“, erklärt der 77-Jährige. Schon am Mittwoch (28.02.24, 14:00 Uhr) beginnt mit dem Duell gegen BA Reinickendorf die neue Saison. Zuvor sprach herthabsc.com mit dem rüstigen Recken über die Stützen des Teams, Antrieb und Unterschiede zu den Herren.
herthabsc.com: Michael, erst einmal noch herzlichen Glückwunsch zum Double! Wie fielen die Feierlichkeiten aus?
Rätsch: Es war leider ein regnerischer Tag und wir haben auch nicht auf unserem Heimplatz gespielt. Meistens sitzen wir nach den Spielen noch zusammen, nach dem Pokalspiel leider nicht. Aber das holen wir nach!
herthabsc.com: Zum Einstieg ein bisschen Regelkunde: Die Ü70 funktioniert nämlich ein wenig anders als der Herrenfußball. Wo genau liegen die Unterschiede?
Rätsch: Es gelten die Kleinfeldrichtlinien wie bei allen Spielklassen ab Ü50. Es sind insgesamt sieben Spieler, also Torhüter plus sechs Feldspieler mit unbegrenzten Auswechslungen. Das Spielfeld ist halb so groß, gespielt wird zwei Mal 30 Minuten. Statt einem Elfmeter schießen wir einen Neunmeter, im Pokal gibt es zudem keine Verlängerung, sondern direkt ein Neunmeterschießen. Ansonsten ist es normaler Fußball. Wer die Ballbeherrschung hat, der verliert sie auch nicht, egal wie alt. Der Ehrgeiz bleibt ebenfalls – ob du 20, 40 oder 70 Jahre alt bist.
herthabsc.com: Blicken wir nach dieser Einleitung mal auf eure Saison zurück. In der Liga seid ihr ungeschlagen durch das vergangene Jahr gekommen. Wie verlief die Saison – gab es auch eine Phase, in der Platz eins in Gefahr war?
Rätsch: Zu Beginn auf jeden Fall. Wir waren zwar anfangs Tabellenführer, aber spielten dann drei Mal remis. Am Ende der Hinrunde schien der SV Lichtenberg 47 uneinholbar vorne. In der Rückrunde schwächelte unser Kontrahent aber und wir erspielten sehr hohe Ergebnisse.
[>]Unsere Generation wird immer älter, aber der Anspruch, Sport zu machen, bleibt.[<]
herthabsc.com: Stell uns eure Mannschaft doch einmal etwas besser vor. Welche Akteure trumpften besonders auf?
Rätsch: Uwe Gnädig als Kapitän ist elementar als Spielgestalter. Genau wie Rainer Sprangowski, der mal in der 2. Bundesliga aktiv war. Der immer noch schnelle Paul Esslinger und Detlef Steiger haben über zwei Drittel unserer 102 Treffer erzielt. Aber natürlich sprechen auch die nur 13 Gegentore für sich. Unser Torhüter Michael Schäfer und die Abwehrreihe mit Wolfgang Wiese, Eckehardt Neumann und meiner Wenigkeit sind also auch zu nennen. Am Ende gilt vielleicht die Fußballweisheit: Die Stürmer gewinnen die Spiele, die Abwehr die Meisterschaft. (lacht)
herthabsc.com: Apropos Titel: Ihr habt in den vergangenen drei Spielzeiten drei Mal die Liga gewonnen und zwei Mal den Pokal. Wird das nicht irgendwann langweilig?
Rätsch: Nein, denn der Wettbewerb ändert sich und wächst. Nächste Saison wird die Liga auf zwölf Mannschaften aufgestockt und es kommen anspruchsvolle Gegner mit NSF Gropiusstadt und dem Bezirksamt Reinickendorf dazu. Es bleibt also spannend und ich glaube nicht, dass wir nächste Saison nochmal so einfach Meister werden, auch wenn wir natürlich immer gewinnen wollen.
[>]Wer die Ballbeherrschung hat, der verliert sie auch nicht, egal wie alt.[<]
herthabsc.com: Das klingt, als könntet ihr nicht genug bekommen. Was treibt euch an?
Rätsch: Konkret, was das Gewinnen angeht, unser Kapitän. (grinst) Unsere Generation wird immer älter, aber der Anspruch, Sport zu machen, bleibt. Jeder der kann, macht mit. Wir haben ja früher selbst nicht geglaubt, dass man mit 70 noch Fußball spielen kann, aber es geht.
herthabsc.com: Zum Abschluss: Eine neue Saison steht schon wieder in den Startlöchern. Wie lief die bisherige Vorbereitung?
Rätsch: Aufgrund der Pokalspiele haben wir wichtige Erkenntnisse gesammelt und auch schon ein paar Mal trainiert. Wir ärgern uns ein wenig über die zu lange Winterpause, viele haben nichts gemacht. (grinst) Training gehört aber auch in der Ü70 immer noch mit dazu – das ändert sich eben nie.