
„Man spürt die Authentizität"
Das Interview war geführt. Alle Aussagen, Fotos und Videos im Kasten, als das Gespräch eine Wendung nahm. Aus dem Augenwinkel hatte Maik Franz seinen alten Kollegen Patrick Ebert entdeckt. Eine herzliche Umarmung, ein freudiges Wiedersehen und ein paar flapsige Sprüche – gefolgt von einem kurzen Abstecher in alte, gemeinsame Zeiten. Über die Jahre an der Spree ging es auch im Austausch mit den Clubmedien. Bei einer Currywurst im Imbiss auf der Olympischen Brücke sprach der ehemalige Verteidiger, der zwischen 2011 und 2014 bei unseren Blau-Weißen unter Vertrag stand, natürlich über das bevorstehende Duell mit dem Karlsruher SC am Samstag (11.11.23, 20:30 Uhr). „Natürlich wussten wir schon damals um diese Freundschaft und das besondere Flair. Ich freue mich sehr auf Samstagabend!“, sagt der inzwischen 42-Jährige mit Blick auf die Begegnung seiner Ex-Vereine. Außerdem verrät er, welches Gefühl ihm beim Fußball den größten Kick gegeben hat und wie er Pál Dárdai und KSC-Coach Christian Eichner sieht.
herthabsc.com: Maik, schön, dass du dir die Zeit für ein Gespräch genommen hast. Wenn du die Wahl hättest: Lieber Currywurst oder doch einen Döner?
Franz: Currywurst – das war die richtige Wahl! Alle paar Wochen mal so eine schöne Wurst, das ist super. Dazu Pommes rot-weiß. Wunderbar!
herthabsc.com: Wir stehen hier in Blickweite des Olympiastadions. Welche Gedanken sind dir durch den Kopf geschossen, als du hergekommen bist?
Franz: Es ist nach wie vor etwas Besonderes, diese Straßen zu fahren und das Stadion zu erblicken. Ich habe jeden Morgen diesen Weg genommen, natürlich kommen da ein paar Erinnerungen hoch.
herthabsc.com: Du hast zwischen 2011 und 2014 für unsere Alte Dame gespielt. Deine Zeit war geprägt von Ab- und Aufstiegen sowie Verletzungen, die schließlich zum Karriereende geführt haben. Wie blickst du mit etwas Abstand auf deine Zeit an der Spree zurück?
Franz: Das stimmt, sportlich gesehen war es eine Katastrophe. Ich kam verletzt an, habe mich in die Mannschaft gekämpft und mich dann wieder verletzt. So lief es eigentlich die ganze Zeit – zwischendurch mit dem negativen Höhepunkt des Abstiegs – bis die damals Verantwortlichen mich 2013/14 in die 2. Mannschaft verbannt haben. Aber was auch geblieben ist: Ich habe viele tolle Menschen im Club kennengelernt. Ich liebe Berlin und mag diesen Verein, der für mich besonders war und ist. Ich fand ihn schon als Jugendlicher cool, als Hertha Champions League gespielt hat. Umso bitterer war es, dass ich sportlich kaum helfen konnte.

herthabsc.com: In der Hauptstadt bist du bis heute fest verwurzelt. Wie eng verfolgst du unsere Spreeathener?
Franz: Ich habe noch Freunde im Verein, auch deshalb schaue ich genau hin. Aber unabhängig davon fühle ich mich dem Verein nach wie vor verbunden. Außerdem spiele ich noch in der Ü40 (grinst). Außerdem – und das ist keine Schleichwerbung (lacht) – habe ich mir auch die Doku reingezogen. Man erkennt, dass hier etwas entsteht. Man spürt die Bodenständigkeit, die Authentizität bei den handelnden Personen. Nach dem Abstieg war es sicher alles andere als leicht, diesen Scherbenhaufen zusammenzufegen. Nun geht es darum, diesen Weg mit Überzeugung weiterzuverfolgen – auch wenn der Prozess mal herausfordernd ist.
herthabsc.com: Gestatte uns an dieser Stelle noch eine Verbindung zu ziehen. Du hast dir als Aktiver aufgrund deiner aggressiven Zweikampfführung den Beinamen Iron Maik verdient. Ein ähnlicher Typ in der aktuellen Mannschaft ist Toni Leistner. Schaust du dir Innenverteidiger, vor allem wenn sie dir in der Spielweise ähneln, besonders genau an?
Franz: Als Fußballfan und TV-Experte interessieren mich natürlich die Mannschaften und ihre Spieler. Toni kenne ich zwar nicht persönlich, aber er ist ein ehrlicher Arbeiter, der seine Qualitäten für seine Kollegen auf den Platz bekommt. Mit seiner Erfahrung ist er immens wichtig, gerade für jüngere Spieler. Er tut dem Team gut, auch wenn er anfangs wegen der Fan-Rivalität kritisch beäugt wurde. Was mich angeht: Ich persönlich bin sehr zufrieden mit dem, was ich erleben durfte und wie ich wahrgenommen wurde. Eine Saison habe ich für Frankfurt mal sechs Tore geschossen, dieses Gefühl nach einem Treffer war schon krass. Vielleicht etwas krasser als nach einer Klärungsaktion auf der Linie, wenn das Stadion klatscht, oder einem harten Tackling, wenn das Stadion buht.
[>]Man spürt die Bodenständigkeit, die Authentizität bei den handelnden Personen. Nun geht es darum, diesen Weg mit Überzeugung weiterzuverfolgen.[<]
herthabsc.com: Wie bewertest du die Entwicklung der Herthaner nach dem Neuaufbau im Sommer?
Franz: Nach einem schwierigen Start hat sich die Mannschaft auf jeden Fall besser gefunden, der ganze Verein steckt aber natürlich – wie schon angesprochen – in einem Prozess. Der Neustart war ein Stück weit eine notwendige Entscheidung. So hat der Verein Spieler abgeben können, die sich vielleicht auch etwas größer sehen, als sie es sind. Auch wenn der Gang in die Zweitklassigkeit niemals gut ist, kann er dennoch ein wenig reinigend sein. Die Jungs müssen in diesen Flow kommen, weiter Selbstvertrauen tanken und mehr Spiele gewinnen. Hertha ist nach wie vor ein großer Verein, der in der 2. Liga fast immer als Favorit in die Partie geht. Die Alte Dame gehört in die Bundesliga, das ist klar, aber jetzt geht es erstmal darum, eine gute Saison zu spielen. Wofür das reicht, werden wir sehen.
herthabsc.com: Pál Dárdai hast du als Mitspieler knapp verpasst. Dennoch hast du dich lobend über unseren Coach geäußert. Was zeichnet ihn deiner Meinung nach aus?
Franz: Pál geht unbeirrt seinen Weg. Er hat ein dickes Fell, auch weil er über die Jahre viel erlebt hat. Als Trainer ist er jemand, der motivieren und begeistern kann. Er kann Dinge auf Augenhöhe vermitteln, weil er selbst Spieler war und den Verein wie kaum ein anderer kennt. Er ist dadurch glaubwürdig, das ist sicher eine seiner Stärken. Man darf auch nicht vergessen, dass er Hertha mehrfach in der Bundesliga gehalten und zudem in den Europapokal geführt hat. Die 2. Liga ist aber auch für ihn eine neue Herausforderung. Ich wünsche Pál, dass er seine Elf – auch taktisch – weiterentwickelt und ganz oben angreift.
herthabsc.com: Seite an Seite mit der Fahne auf der Brust aufgelaufen bist du mit Peter Pekarík und unserem jetzigen Assistenten der sportlichen Leitung Sami Allagui. Seid ihr noch ab und an im Austausch?
Franz: Das ist Wahnsinn, dass Peka noch dabei ist (lacht). Sami und ich sind befreundet und gehen regelmäßig zusammen essen. Er ist immer positiv gestimmt, sehr empathisch und hilfsbereit. Dazu hat er viel als Aktiver erlebt, Ab- und Aufstiege mitgemacht, Partien für die Nationalmannschaft bestritten. Das sind großartige Voraussetzungen für seinen jetzigen Job. Nun gilt es, dass er auch in dieser Funktion seine eigenen Erfahrungen sammelt und seinen Weg einschlägt.

herthabsc.com: Am Samstag (11.11.23, 20:30 Uhr) steht ein auf allen Ebenen besonderes Duell an, wenn der Karlsruher SC bei uns zu Gast ist. Beide Vereine verbindet eine tiefe Freundschaft, beide Vereine stehen in deiner Vita. Wie hast du die Aufeinandertreffen auf dem Rasen erlebt?
Franz: Natürlich wussten wir schon damals um diese Freundschaft und das besondere Flair. Ein Spiel ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben, auch wenn es am Ende für beide Seiten traurig war. Im Mai 2009 haben wir am 34. Spieltag 4:0 gewonnen, ich habe sogar getroffen. Dennoch sind wir abgestiegen – und Hertha hat die Champions League verpasst. Die Fanfreundschaft hat aber schon dazu geführt, dass ich zu Hertha wechseln wollte.
herthabsc.com: Christian Eichner ist damals gemeinsam mit dir abgestiegen. Der Ex-Profi ist der Akteur, mit dem du am zweithäufigsten gemeinsam um Punkte gekämpft hast (77 Begegnungen). Wie würdest du den Coach, der seit Anfang 2020 Cheftrainer bei den Badenern ist, beschreiben?
Franz: Das wusste ich gar nicht (schmunzelt). Christian ist ein cleverer Typ, wir hatten viel Spaß zusammen. Schon damals hat er neben seiner Karriere Lehramt studiert. Ich weiß noch, dass wir mittags oft mit seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen beim Essen zusammensaßen, das waren intellektuelle Runden (lacht). Eiche kommt aus der Region, verkörpert die Region. Als Spieler hat er immer alles gegeben, als Trainer möchte er sich immer verbessern und arbeitet akribisch. Nach seiner Übernahme hat er dem Team schnell ein neues Gesicht und eine neue Spielweise vermittelt. Er hat dem Verein nicht nur in einer Phase die nötige Stabilität vermittelt. Ich hoffe, dass er die aktuelle Situation, die schon prekär ist, auch meistert. Meiner Meinung nach fehlt dem Kader einfach ein Stürmer, ein Vollstrecker.
herthabsc.com: Wenn du dich entscheiden müsstest: Wem drückst du die Daumen?
Franz: Natürlich drücke ich beiden Vereinen die Daumen. Mit Blick auf Samstag muss ich aber sagen: Der KSC ist mein absoluter Herzensverein, dort hatte ich meine beste Zeit und konnte zu einem gestandenen Bundesliga-Spieler reifen. Wenn ich jetzt etwas anderes sagen würde, wäre es nicht glaubwürdig. Aber Hertha ist auch noch in mir, auch wenn ich hier nicht ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt habe. Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf Samstagabend!