Kasimir Weichert im Hertha-Trikot mit Kamera.
Fans | 3. Oktober 2023, 14:34 Uhr

„So echt, wie es nur sein kann“

Das Foto ist ein sehr vielseitiges Medium. Es kann Stimmungen und Zeitgeist einfangen, Ereignisse dokumentieren, Menschen und ihren Alltag sowie Abläufe und Routinen abbilden. All das tut Kasimir Weichert mit seiner Leidenschaft, oft und regelmäßig auch rund um Partien unserer Alten Dame. Der Herthaner ermöglicht mit seinen Arbeiten auch Einblicke in die vielfältige blau-weiße Anhängerschaft. „Ich wollte dabei weder Objektivität an den Tag legen noch Hertha-Werbung betreiben, sondern einfach Rituale, kleine Momente aufzeigen. Treffpunkte, Spieltags-Essen, Outfits, vom Absurd-Lustigen bis hin zum Schweremotionalen und Intensiven. All das wollte ich gerne abbilden, so echt, wie es nur sein kann“, sagt der 28-Jährige, mit dem sich herthabsc.com über seine Arbeiten, weitere kreative Köpfe in unserer Fanszene und zukünftige Projekte unterhalten hat.

herthabsc.com: Hey Kasimir, danke dass du dir die Zeit nimmst! Lass uns über deine Arbeiten sprechen: Aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter der sozialen Netzwerke kennen dich als Fotografen, der nicht nur unsere Trikots bereits sehenswert in Szene gesetzt hat, sondern unter dem Motto „Kurvenlage“ auch regelmäßig Szenen und Menschen rund um unseren Hauptstadtclub dokumentiert. Wann hast du angefangen zu fotografieren?
Weichert: Gar nicht so früh, erst im jugendlichen Alter, mit 15 oder 16 Jahren. Ich bin auch erst über Umwege zum professionellen Fotografieren gekommen. Mein Vater ist selbst Fotograf, und mir war klar, dass ich beruflich nicht genau das Gleiche machen möchte wie er, man sucht ja gerne seine eigenen Wege (lächelt). Ich habe alles Mögliche rund um den Film, genauer gesagt den Werbefilm, gelernt. Dabei bin ich auch geblieben, mache das und Musikvideos – Regie, Produktion, und so weiter. Fotografie ist aber gleichzeitig immer mein Ventil für künstlerisches Arbeiten geblieben. Social Media war ein guter Kanal, um schnelles, direktes Feedback zu bekommen, und dann war irgendwann auch das Bewusstsein da, das Ganze ernster zu nehmen, als ich es vielleicht zunächst getan habe. 

herthabsc.com: Du sprichst es schon an: Wie kamst du dazu, deine Leidenschaft unter dem Titel „Kurvenlage“ auch rund um unsere Partien und unser Vereinsleben herum auszuüben? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Weichert: Ich war auf der Suche nach einem neuen Thema für ein fotografisches Projekt und hatte schon länger drüber nachgedacht, die Leidenschaft für den Fußball, Fankultur und Hertha BSC in einem kreativen Projekt einzubringen. Den Ausschlag gab für mich, dass ich zu unserer Alten Dame gehe, seit ich ein kleines Kind war. Später war ich mit Dauerkarte im Oberring und anschließend in der Ostkurve – die habe ich bis heute. In unserem Freundeskreis waren wir irgendwann immer mehr Dauerkarteninhaber und sind teilweise mit 15 Leuten ins Olympiastadion gefahren. Dann kam Corona, die leeren Stadien. Als in der Folge auch die öffentliche Diskussion über Fankultur, die Bedeutung von Fußball als sozialem Bindeglied und als Routine für große Teile der Gesellschaft Fahrt aufnahm, gleichzeitig aber die WM in Katar immer näher rückte, hatte ich das Gefühl, dass sich die Bedeutung von Fußball und Fansein verschiebt – in eine Richtung, mit der ich wenig anfangen konnte und die meiner Meinung nach auch an der Realität vorbeigeht. So entstand die Idee, die Fankultur in ihren kleinsten Nuancen abzubilden. Ich wollte dabei weder Objektivität an den Tag legen noch Hertha-Werbung betreiben, sondern einfach Rituale, kleine Momente aufzeigen. Treffpunkte, Spieltags-Essen, Outfits, vom Absurd-Lustigen bis hin zum Schweremotionalen und Intensiven. All das wollte ich gerne abbilden, so echt, wie es nur sein kann.

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Diese besonderen Momente sind für mich als Stadiongänger auch besonders schön und stellen einen Kontrast zur manchmal etwas inszenierten Fußballwelt her.
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-Kasimir Weichert

herthabsc.com: Macht diese Authentizität für dich ein gutes Foto aus? Welche Aspekte sind dir bei deinen Arbeiten wichtig?
Weichert: Es kommt sehr auf das Projekt und darauf an, was das Foto erzählen soll! Bei diesem Thema war es aber definitiv sehr wichtig und ein Stück weit auch ein Alleinstellungsmerkmal. Diese besonderen Momente sind für mich als Stadiongänger auch besonders schön und stellen einen Kontrast zur manchmal etwas inszenierten Fußballwelt her. Ich habe aber bewusst so gefiltert, um besonderen, ehrlichen Alltagsmomenten auch einen entsprechenden Rahmen zu geben.

herthabsc.com: Neben Hertha ist Italien auch ein zentrales Thema deiner Fotografie. Was fasziniert dich am Land?
Weichert: Ich habe seit Kindestagen starke Verbindungen, sicher auch, weil mein Vater hier schon Projekte fotografiert hatte. Diese Nostalgie und die gleichzeitig überall zu spürende Leidenschaft und das Bewusstsein für Routinen und Traditionen im sehr lebendigen Alltag stellt in gewisser Weise auch eine Verbindung zum Fußball dar: Traditionell und lebendig – das beschreibt sowohl Italien als auch Hertha ganz gut.

herthabsc.com: Bist du dort auch in Sachen Fußball unterwegs oder planst das?
Weichert: Ich war dort bisher erst einmal im Stadion, in Neapel. Ein 5:0 gegen Sassuolo in der Curva A bei bestem Wetter in der Meistersaison. Das war eine tolle Erfahrung mit irrer Stimmung, bei der ich auch fotografieren konnte und das in Zukunft noch öfter tun möchte. Ich weiß noch nicht, ob daraus auch gleich eine Reihe im professionellen Sinn wird oder ich das Ganze einfach nur als Fußballfan und -liebhaber genießen werde. Die Leute waren aber sehr interessiert und offen, das spüre ich in Italien öfter. Generell stellen sowohl Fotografie als auch Fußball dort eine tolle Möglichkeit dar, mit der Kultur und den Menschen des Landes in Kontakt zu treten. Das macht für mich einen großen Reiz an beidem aus. Grundsätzlich muss man beim Fotografieren beim Fußball natürlich aufpassen, gerade was das Abbilden von Gesichtern angeht. Ich kann da auch Kritikpunkte aus den Fanszenen bestens nachvollziehen und versuche, mit Feingefühl gute Mittelwege zu finden.

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Ich wollte dabei weder Objektivität an den Tag legen noch Hertha-Werbung betreiben, sondern einfach Rituale, kleine Momente aufzeigen. Treffpunkte, Spieltags-Essen, Outfits, vom Absurd-Lustigen bis hin zum Schweremotionalen und Intensiven.
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-Kasimir Weichert

herthabsc.com: Es gibt ja eine Menge kreativer Köpfe in unserer Fanszene und rund um unseren Verein. Fallen dir weitere Blau-Weiße ein, deren Arbeiten du an der Stelle gerne mal erwähnen würdest?
Weichert: Da gibt es einige! Ich finde Jens Lewis Arbeiten interessant, er fotografiert analog und hat einen spannenden Blick. Man spürt als Betrachter, dass er intensive Momente mit Hertha BSC erlebt. Generell entwickelt sich gerade eine kleine Community rund um Analogfotografie bei Hertha. Jemand, der auch schon einmal mit mir in Kontakt getreten ist und schöne Bilder macht ist, Simeon David. Es ist generell schön zu sehen, dass es viele Herthanerinnen und Herthaner gibt, die kreativ arbeiten und aus eigenem Antrieb Arbeiten veröffentlichen, die ihre Leidenschaft für den Verein zeigen und unterstreichen.

herthabsc.com: Vielleicht überlegt der eine oder andere da draußen selbst mit der Fotografie zu beginnen – möglicherweise ja sogar auch rund um Hertha. Hast du Tipps für Interessierte?
Weichert: Ob es um Fußball geht oder nicht – schaut euch die alten Meister der Fotografie an (lacht). Das hilft und schafft Inspiration. Die Herausforderung liegt dann darin, die Sache mit der nötigen Ruhe anzugehen. Jeder Mensch, der mit einem fotografischen Blick oder Wunsch zu Spielen geht, wird schnell merken, wie viele visuell starke Motive und Aspekte einem begegnen. Dafür sorgt ja nicht zuletzt die Ostkurve – mit Choreos, Fahnenmeeren und anderen visuellen Stimmungsaspekten. Man sollte sich vorab überlegen: Was will ich erzählen? Welche besonderen Aspekte möchte ich zeigen? Es geht nicht darum, jeden Moment mitzunehmen. Und ganz wichtig: Auch wenn aus beiläufigen Bildern, bei denen der Fotografierende nicht entdeckt wird, oft schöne Bilder entstehen, sollte man neben den Rechten auch auf die Wünsche der Menschen eingehen. Gerade wenn es um Fankultur und den eigenen Verein geht, sollte man auch mit den entsprechenden Leuten reden – das hilft wahnsinnig.

herthabsc.com: Welche weiteren Arbeiten und Projekte hast du möglicherweise bereits mit und um Hertha BSC geplant? Kannst du dazu schon etwas verraten?
Weichert: Ich kann schon einmal erzählen, dass ich aus den Fotos, die ich rund um Spiele von Hertha mache, ein Zine oder ein Fotobuch zusammenstellen werde, um das Projekt irgendwann auch einmal abzuschließen. Damit habe ich erst einmal genug zu tun (lacht). Abgesehen davon gibt es ja auch einige interessante Projekte von Vereinsseite, bei denen ich mal mehr, mal weniger involviert bin. Ich finde, da geht vieles in eine tolle Richtung, ein gutes Beispiel ist die Doku. Generell: Kreative aus verschiedenen Ecken wie Musik und Fotografie zusammenzubringen und in den Verein zu integrieren – Luvre47 oder auch Soho Bani fallen mir da als weitere Beispiele ein – das ist eine tolle Entwicklung!

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Jeder Mensch, der mit einem fotografischen Blick oder Wunsch zu Spielen geht, wird schnell merken, wie viele visuell starke Motive und Aspekte einem begegnen. Dafür sorgt ja nicht zuletzt die Ostkurve – mit Choreos, Fahnenmeeren und anderen visuellen Stimmungsaspekten.
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-Kasimir Weichert

von Konstantin Keller