Blindenfußballtrainer Yasin Talay beim Abschluss.
Teams | 21. September 2023, 10:33 Uhr

„Wir geben alles, um die Leute vom Blindenfußball zu überzeugen"

Für die Blindenfußballer unseres Hauptstadtclubs ist die Bundesliga-Saison bereits beendet. Die Mannschaft von Yasin Talay schloss – wie schon in den beiden Spielzeiten zuvor – auf dem 5. Tabellenplatz ab. Gemessen an den besonderen Umständen ein solides Ergebnis, wie der Übungsleiter im Gespräch mit herthabsc.com befand. „Nach diesem Saisonverlauf kann man zufrieden sein", sagt der Trainer über das Abschneiden seiner Truppe, deren Kader er zur kommenden Spielzeit gerne vergrößern möchte. „Wir geben alles, um die Leute vom Blindenfußball zu überzeugen", unterstreicht der Berliner. Im Interview spricht Talay außerdem über die Entwicklung seines Teams in der zurückliegenden Saison, besondere Momente sowie die grundlegenden Herausforderungen des Blindenfußballs. 

herthabsc.com: Yasin, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Gespräch genommen hast. Ihr seid nach dem 5:0-Sieg am abschließenden Spieltag gegen Schalke noch Fünfter geworden. Als Saisonziel hattest du Rang drei bis vier ausgerufen. Wie lautet dein Fazit? 
Talay: Gemessen an den Umständen war der 5. Platz in Ordnung. Nach diesem Saisonverlauf, mit vielen Verletzten und Ausfällen, haben wir es geschafft, in den letzten drei Spielen noch viele Punkte gutzumachen. Insgesamt haben wir sogar mehr Zähler als in der vorangegangenen Saison geholt und die zweitmeisten Treffer in der Liga erzielt. Mit der Torausbeute war ich wirklich zufrieden. Das Endergebnis mag auf den ersten Blick – gemessen am Saisonziel – nicht so befriedigend erscheinen, aber die jüngsten Auftritte waren doch noch sehr gut.

herthabsc.com: An welchen Moment aus der vergangenen Saison denkst du denn besonderes gerne zurück?
Talay: Der fand am letzten Spieltag gegen Schalke statt! Wir brauchten einen 2:0-Sieg, damit wir die Gelsenkirchener noch abfangen und den 5. Platz erreichen. Zur Pause stand es 0:0, in der zweiten Halbzeit haben wir dann super Fußball gespielt und fünf Dinger gemacht. Das war zum Ende nochmal ein richtiges Highlight.

herthabsc.com: Fragen müssen wir: Gab es auch einen Moment, an den du dich nicht mehr so gerne erinnerst?
Talay: Da fällt mir unser Duell mit St. Pauli ein. Wir sind 15 Sekunden vor dem Ende in Führung gegangen, aber haben direkt nach dem Anstoß doch noch das 1:1 kassiert. Gegen St. Pauli zu gewinnen, wäre ein Traum gewesen. Wir hatten schon unsere Teamfouls erschöpft, die Jungs sind zu schüchtern in die Zweikämpfe gegangen. So konnte ein Hamburger durchmarschieren und den Ausgleich erzielen. Nach dem Jubel über den Führungstreffer war es einfach enttäuschend, das Spiel nicht zu gewinnen.

herthabsc.com: Welche Entwicklungen haben dich besonders gefreut und stolz gemacht?
Talay: Da kann ich Emilio (Eichler, Anm. d. Red.) nennen. Er hat sich in den vergangenen Jahren wirklich super konstant entwickelt und den Sprung zur Nationalmannschaft sowie zur WM geschafft. Auch Edis (Veljković, Anm. d. Red.) ​​​​​muss ich als unseren Torjäger erwähnen. Er hat in dieser Saison zehn Tore geschossen und seine Ausbeute damit erneut gesteigert. Edis zählte am Ende zu den sechs besten Schützen der Liga – eine tolle Leistung!

herthabsc.com: Wo siehst du noch Spielraum für Verbesserungen?
Talay: Wir brauchen auf jeden Fall mehr Spieler. Momentan ist es leider so, dass wir jedes Jahr Jungs verlieren. Das fängt bereits im Training an, wo wir teilweise zu wenig sind. Neue Blindenfußballer zu finden, ist die große Herausforderung. Wir müssen die Spieler dann erst einmal entwickeln. Gut ist, dass wir jetzt eine Nachwuchsgruppe mit drei vielversprechenden Talenten haben, die allerdings aktuell noch zu jung für die Liga sind. Sie ins Team zu integrieren ist eher eine langfristige Aufgabe und keine Lösung für kommendes Jahr. In dieser Saison hatten wir oftmals gar keine Auswechselspieler, haben meist mit derselben Aufstellung gespielt. Ich denke, mit einer größeren Reserve wäre mehr drin gewesen. Daran müssen wir arbeiten.

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Wir müssen mehr Leute erreichen. Die Popularität des Blindenfußballs muss generell wachsen.
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-Yasin Talay

herthabsc.com: Was meinst du, wie man das Problem angehen könnte? 
Talay: Wir müssen mehr Leute erreichen. Die Popularität des Blindenfußballs muss generell wachsen. Das Interesse der Kinder in den Schulen ist leider noch nicht allzu groß. Vor allem bei denjenigen, die noch ein Rest-Sehvermögen haben. Wir müssen versuchen, sie vom Blindenfußball zu begeistern. Am besten schon von klein auf. 

herthabsc.com: Wie geht es für dich und die Mannschaft jetzt weiter? 
Talay: Wir versuchen das Beste, um Spieler aus ganz Deutschland von unserem Weg zu überzeugen. Oft steht der Beruf ein wenig im Weg, die meisten Menschen sind nun einmal an ihren Arbeitsplatz gebunden. So können sie maximal einmal im Monat herkommen und auch das ist mit dem Trainingsalltag nur schwer zu verbinden. Wir geben aber alles, um die Leute vom Blindenfußball zu überzeugen und Blinde zu erreichen! Und um einen positiven Ausblick zu geben: Fatih (Talay, Anm. d. Red.) ist die ganze vergangene Saison verletzt ausgefallen. Für die kommende Spielzeit stellt er aber wieder eine Option dar.

herthabsc.com: Wir drücken die Daumen! Und nun ist die kommenden Wochen erstmal Ruhe angesagt?
Talay: Nein, wir machen weiter und werden einmal in der Woche trainieren. Ende Oktober haben wir noch ein abschließendes Turnier in Leipzig. Da wollen wir noch einmal das Beste rausholen, danach ist die Saison beendet. Allerdings werden wir weiterhin einmal in der Woche trainieren, damit wir nicht aus dem Rhythmus kommen. Mit der Vorbereitung auf die kommende Saison beginnen wir dann erst im neuen Jahr gegen Ende Januar oder Anfang Februar. Bis dahin haben wir noch ein paar Aufgaben vor uns, die wir jetzt angehen!

von Celine Jäntsch