Sebastian Hoeneß gibt Fabian Bredlow eine Anweisung.
Profis | 5. Mai 2023, 14:26 Uhr

Kiek ma, wer da kommt: Stuttgart

Es war ein für diesen Wettbewerb so typisches Drama, das der VfB Stuttgart am Mittwochabend im DFB-Pokal gegen Eintracht Frankfurt erlebte. Führung, drei bittere Gegentreffer, Anschluss, Platzverweis und dann plötzlich die Hoffnung auf einen Strafstoß sowie den möglichen Ausgleich. Doch ohne Erfolg – das Team von Cheftrainer Sebastian Hoeneß unterlag in einem aufregenden Halbfinale mit 2:3. „Wir sind sehr enttäuscht über das Ergebnis, haben aber erneut eine unglaubliche Moral gezeigt und Frankfurt nach unserem zweiten Tor weiter unter Druck gesetzt“, erklärte der gefasste Fußballlehrer im Anschluss. Der 40-Jährige warf den Blick direkt auf die anstehende Aufgabe im Bundesliga-Alltag: „Wir richten uns gemeinsam auf und fahren nach Berlin, um einen weiteren Schritt zu machen. Dort werden die Jungs die gleiche Moral zeigen wie schon in den vergangenen Wochen“, gab sich der Übungsleiter entschlossen. Vor dem kommenden Gastspiel in Spreeathen am Samstag (Tickets hier) nimmt herthabsc.com den fünffachen deutschen Meister unter die Lupe.

Die sportliche Situation: Wie unsere Hauptstädter befinden sich auch die Weiß-Roten mitten im Kampf um den Klassenerhalt. Vier Spieltage vor dem Saisonende rangiert der Traditionsclub aus dem Süden sechs Zähler sowie drei Tabellenränge vor unserer Alten Dame. „Wir wissen, worauf es ankommt. Es wird ein wichtiges Spiel und wir werden den Fight annehmen“, unterstrich Außenverteidiger Josha Vagnoman, der im März sein Debüt für die deutsche Nationalmannschaft gefeiert hat. Bereits vor dem Duell mit den Hessen machte Fabian Wohlgemuth deutlich: „Wenn es denn die Wahl gäbe zwischen Pokalfinale und Klassenerhalt, läge mir die Bundesliga-Zugehörigkeit natürlich näher“, so der VfB-Sportchef. Der Vorjahres-15. befindet sich auf einem guten Weg, seitdem Hoeneß für Bruno Labbadia an der Seitenlinie übernahm. Unter dem gebürtigen Münchner ist die Elf mit dem Brustring im deutschen Oberhaus noch ungeschlagen, holte acht Zähler in vier Partien. Dabei blieben Wataru Endo und Co. erstmals in der laufenden Runde vier Mal hintereinander ohne Niederlage. „Wir haben in der Mannschaft viel miteinander gesprochen. Der Trainer nimmt jeden Spieler mit, ist sehr ruhig und klar. Das passt aktuell ganz gut“, verriet Verteidiger Waldemar Anton Gründe für den positiven Lauf.

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Wir wissen, worauf es ankommt. Es wird ein wichtiges Spiel und wir werden den Fight annehmen.
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-Josha Vagnoman

Die Stuttgarter im Fokus: Während der zuletzt im defensiven Mittelfeld gesetzte Atakan Karazor aufgrund einer Gelbsperre genauso fehlt wie der verletzte Innenverteidiger Konstantinos Mavropanos, dürfte Serhou Guirassy erneut von Beginn an stürmen. „Er ist unser effektivster Offensivspieler“, sagte Wohlgemuth über den Offensivspieler aus Guinea. Der Angreifer musste beim 2:1 gegen Borussia Mönchengladbach am vergangenen Wochenende angeschlagen den Platz verlassen, kam im Pokal aber schon wieder zum Einsatz. Was ein Ausfall des 27-Jährigen bedeutet, „haben wir schon gemerkt“, so Wohlgemuth. Schließlich stand der seit vergangenem Sommer von Stade Rennes ausgeliehene 1,87-Meter-Mann, der es in dieser Spielzeit auf 18 Einsätze sowie acht Treffer bringt, zwischen Februar und März mehrere Wochen nicht zur Verfügung. In dieser Zeit holten die Schwaben nur vier Zähler aus sechs Partien. Während der ehemalige Kölner ganz vorne gesetzt ist, gilt gleiches ganz hinten für Fabian Bredlow. Der 28-Jährige hat Florian Müller im Verlauf der Rückrunde den Platz zwischen den Pfosten abgeluchst, diesen Status bislang mit ordentlichen Leistungen verteidigt und Anteil am Aufschwung. Nach dem Trainerwechsel beobachtete der 1,90-Meter-Hüne mit Führungsqualitäten eine Veränderung in der Mannschaft: „Der eine oder andere, der vielleicht vorher den Kopf in den Sand gesteckt hat, weil er meinte, sowieso nicht zu spielen, ist voll da. Alle sind bereit, sich den Allerwertesten aufzureißen, um zu spielen.“

Die Schnittstellen: Bredlow wäre einst beinahe bei unserem Hauptstadtclub gelandet. „Es gab eine Phase, da war Interesse vorhanden. Ich war 16, spielte bei Zehlendorf und durfte etwa ein Jahr lang einmal die Woche bei Hertha beim Torwarttraining mitmachen. Die Konkurrenz war aber sehr groß, deswegen wurde es nie konkreter“, erzählte der gebürtige Berliner, der über die Stationen Leipzig, Salzburg, Halle und Nürnberg in Baden-Württemberg gelandet ist. In Genki Haraguchi trug ein Akteur des Kontrahenten bereits die Fahne auf der Brust, Hoeneß und sein Assistent David Krecidlo kamen während ihrer aktiven Zeit zudem für unsere U23 zum Einsatz. Weltmeister Sami Khedira, inzwischen Berater des VfB-Managements, lief zwischen Februar und Juni 2021 ebenfalls für unsere Alte Dame auf. Umgekehrt besitzen Marc Kempf, Vedad Ibišević, Andreas Menger, Hendrik Herzog, Pablo Thiam und Ante Čović eine Vergangenheit in Bad Cannstatt.

Jean-Paul Boëtius und Dodi Lukébakio bejubeln einen Treffer in Stuttgart.
Jean-Paul Boëtius und Dodi Lukébakio bejubeln den zwischenzeitlichen Ausgleich in Stuttgart.

Das Hinrundenduell: Den frühen Rückstand durch Guirassy (3.) glich Dodi Lukébakio zügig für unsere Farben aus (19.). Anschließend deutete im Neckarstadion bis zur achten Minute der Nachspielzeit alles auf eine Punkteteilung hin. Dann traf Mavropanos mit der letzten Aktion zum 2:1-Endstand für die Hausherren und markierte das bislang späteste Tor dieser Saison in Deutschlands höchster Spielklasse. Eine Spezialität der Schwaben, die fünf ihrer sechs Treffer in den jüngsten drei Auftritten in der Schlussviertelstunde erzielten. „Ein Spiel geht bis zum Abpfiff. Wir sind sehr, sehr sauer, denn wir wollten unbedingt gewinnen und die drei Zähler holen“, zeigte sich Jean-Paul Boëtius im November des zurückliegenden Jahres enttäuscht.

Die Meinung über unsere Elf: Ihren jüngsten Auftritt haben die Süddeutschen abgehakt. „Der Fokus liegt klar auf Hertha. Die Müdigkeit ist schon weniger, ich bin voller Zuversicht. Wir haben die Möglichkeit, über ein gutes Spiel unsere Ausgangssituation weiter zu verändern und wollen dieses Unterfangen energetisch und kraftvoll angehen“, so ein erwartungsfroher Hoeneß. Gleichzeitig erhebt der Mann an der Seitenlinie unseres Kontrahenten den symbolischen Zeigefinger: „Die Berliner werden mit voller Kapelle antreten, sind individuell gut besetzt und haben in dieser Saison immer wieder gezeigt, dass sie unangenehm sein können – vor allem zu Hause. Es wird ein hartes Stück Arbeit und eine Herausforderung, der wir gewachsen sein müssen“, betont der Coach.

von Erik Schmidt