Blindenfußball-Trainer Yasin Talay im Porträt.
Teams | 11. April 2023, 17:05 Uhr

„Die Jungs sollen unbeschwert aufspielen"

Während die europäischen Ligen langsam, aber sicher auf die Zielgerade abbiegen, steht ein anderer Wettbewerb in den Startlöchern. Am kommenden Wochenende startet die neue Saison der Blindenfußball-Bundesliga. Auch die Mannschaft von Hertha BSC kämpft dabei um Punkte und Platzierungen – und das nach der Debütsaison 2020 bereits zum vierten Mal. Nach zwei fünften Rängen ist die Vorfreude, aber auch die Motivation, die bisherigen Resultate zu verbessern, riesengroß. „Wir möchten an die positive Entwicklung anknüpfen und erneut zeigen, dass wir Fußball spielen können“, bekräftigt Yasin Talay, Trainer unserer Blindenfußballer. Im Interview mit herthabsc.com spricht der Coach über den Auftakt, Ziele und besondere Herausforderungen.

herthabsc.com: Yasin, die neue Saison in der Blindenfußball-Bundesliga steht in den Startlöchern. Nach zwei fünften Plätzen in den beiden Vorjahren – wie lauten die Ziele für eure vierte Spielzeit?
Talay: Wir möchten mehr Punkte holen und damit eine bessere Platzierung erreichen. Das wird sicher schwierig, da sich die anderen Teams – wie Stuttgart und Dortmund – verstärkt haben. Wir machen uns aber auch keinen unnötigen Druck, indem wir den dritten Platz als Ziel fixieren. In jeder Partie werden wir alles geben und dann schauen wir von Spiel zu Spiel.

herthabsc.com: Los geht es am Samstag, die mehrwöchige Vorbereitung liegt hinter euch. Was stand auf dem Programm? Wie ist die Stimmung im Team?
Talay: Die Vorbereitung lief leider nicht ganz optimal, da ich wegen eines gebrochenen Fußes eine Zeit lang ausgefallen bin und leider die eine oder andere Einheit verpasst habe. Außerdem haben wir zwei Abgänge zu verzeichnen, Mohammed Sleimann und Patrick Küppers haben uns verlassen. Auch wenn das schmerzt, wollen wir das Beste rausholen. Die Jungs freuen sich auf die neue Saison – das ist erstmal das Wichtigste! Viel hängt im weiteren Verlauf von den Spielen ab. Gute Ergebnisse können die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft positiv beeinflussen. In dieser Hinsicht wollen wir an das vergangene Jahr anknüpfen. Wir hatten bis zu den beiden letzten Begegnungen sogar noch eine kleine Chance auf die Meisterschaft. 

herthabsc.com: Welchen Vorteil verschafft euch in der regelmäßigen Arbeit euer neuer Trainingsplatz?
Talay: Der Platz hilft uns speziell in der Hinsicht, dass wir jetzt einen festen Ort zum Trainieren haben. So herrschen in jeder Einheit dieselben Bedingungen und Abläufe. Diese Kontinuität hilft uns.

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Ich hoffe einfach, dass die Jungs unbeschwert aufspielen und sich nicht von kleineren Fehlern verunsichern lassen.
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-Yasin Talay

herthabsc.com: Kontinuität als Stichwort: Du hast die personellen Veränderungen bereits angesprochen. Welche Auswirkungen haben sie auf eure Planungen? Wie wollt ihr sie kompensieren?
Talay: Es sollten möglichst keine weiteren Spieler mehr ausfallen (schmunzelt). Zumal mein Bruder (Fatih Talay, Anm. d. Red.) seit sechs Monaten mit einer Verletzung zu kämpfen hat. Er taucht zwar auf der Spielerliste auf, inwiefern wir mit ihm planen können, ist noch unklar. Ansonsten stehen uns aktuell sechs Feldspieler zur. Ich denke, dass Emilio Eichler gemeinsam mit unseren türkischen Nationalspielern Ercan Bayraktar und Recep Aydeniz, die uns wirklich sehr helfen, eine richtig starke Runde spielen wird. Emilio hat schon sein drittes Jahr in der Bundesliga vor sich und ist inzwischen Teil der deutschen Nationalmannschaft. Darüber hinaus denke ich, dass auch Edis Velkjovic eine gute Spielzeit absolvieren wird. Ansonsten hoffe ich einfach, dass die Jungs unbeschwert aufspielen und sich nicht von kleineren Fehlern verunsichern lassen.

herthabsc.com: Zum Auftakt steht das Duell mit dem amtierenden Vizemeister MTV Stuttgart (15.04.23, 17:00 Uhr) an. Nur gegen die Schwaben und den späteren Meister FC St. Pauli habt ihr 2022 verloren. Wie kann es gelingen, auch die Topteams zu ärgern?
Talay: Im vergangenen Jahr haben wir gegen den MTV sehr stark gespielt, das war ein Kopf-an-Kopf-Duell – am Ende hat die Erfahrung den Unterschied ausgemacht. Nach der Partie war ich enorm stolz auf die Jungs, weil sie alles gegeben und versucht haben. So wollen wir es erneut angehen, wenn auch etwas defensiver als beim vergangenen Aufeinandertreffen – ohne uns ausschließlich hinten reinzustellen. Vorne werden wir mit unseren starken Stürmern alles probieren und am Ende kommt es auch auf ein gutes Umschaltspiel an. Ein Punkt wäre zufriedenstellend, ein Sieg natürlich perfekt. Aber da sollten wir den Jungs und uns selbst nicht zu viel Druck machen.

herthabsc.com: Am Tag darauf wartet mit dem FC Ingolstadt 04 (16.04.23, 11:00 Uhr) ein Neuling der Blindenfußball-Bundesliga auf euch: Wie läuft grundsätzlich – und speziell in diesem Fall – die Analyse gegnerischer Teams ab?
Talay: Zu Ingolstadt kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht viel sagen. Da müssen wir uns quasi überraschen lassen. Aber ohne Bundesliga-Erfahrung sind die ersten Spiele sehr schwierig. Deswegen muss es unser Ziel sein, drei Punkte in diesem Kräftemessen einzufahren. Da die Ingolstädter auch bereits am Samstag im Einsatz sind, gibt uns das die Möglichkeit, sie vorher etwas genauer zu beobachten.

herthabsc.com: Wie stark schätzt du die Staffel in diesem Jahr ein? Wen siehst du als Favoriten auf die Meisterschaft?
Talay: Der größte Favorit auf den Titel ist wieder der FC St. Pauli mit seinem eingespielten Team. Zudem hat sich Borussia Dortmund durch die Transfers sehr stark verbessert und ich gehe davon aus, dass der BVB da oben ebenfalls mitreden will. Aber man weiß natürlich nie, wie eine Gruppe mit vielen neuen Spielern harmoniert, das wird spannend zu sehen sein. Auch Stuttgart hat weiterhin eine Top-Mannschaft. Ich denke, dass sich die Meisterschaft zwischen diesen drei Vereinen entscheidet.

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Wir wollen von Spiel zu Spiel schauen und gegen jede Mannschaft versuchen, etwas rauszuholen, sei es St. Pauli, Stuttgart oder Dortmund.
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-Yasin Talay

herthabsc.com: Abschließend: Was müsste passieren, damit wir zum Saisonende gemeinsam eine positive Bilanz ziehen können?
Talay: Über einen dritten oder vierten Platz würde ich mich sehr freuen. Wir wollen aber von Spiel zu Spiel schauen und versuchen, gegen jede Mannschaft etwas rauszuholen. Uns macht es glücklich, wenn wir sehen, dass wir auch gegen die Top-Teams der Liga mithalten können und es uns gelingt, sie auch mal zu ärgern. Das haben wir vergangenes Jahr regelmäßig und sehr beeindruckend hinbekommen und hatten im Vergleich zum Vorjahr vier Punkte mehr auf dem Konto. Diese positive Entwicklung wollen wir fortsetzen.

von Jan Ole Tabert