Grafik mit den Exil-Herthanern
Fans | 25. März 2023, 16:00 Uhr

Das Olympiastadion im Wohnzimmer

Heimspiele sind für alle Herthanerinnen und Herthaner ein absolutes Highlight. Zusammen in der Ostkurve stehen, jubeln und singen: Das sind Emotionen pur! Sven-Marco Liste war dieses Gefühl letztmals 2001 vergönnt. Denn der Wahl-Amerikaner lebt seit über 25 Jahren in der Nähe von Tampa, Florida. Begegnungen im Olympiastadion stellen da logischerweise eine absolute Herausforderung dar. Trotzdem unterstützt der 49-Jährige unsere Jungs stets voller Elan. Pünktlich zu den Partien unserer Alten Dame hisst der Exil-Anhänger die blau-weiße Fahne, schmückt sein Auto und streift ein Trikot über – und das alles bei sechs Stunden Zeitverschiebung. Gemeinsam mit seinem Vater Joachim, der in den sozialen Netzwerken als „JoausFlo" bekannt ist, lässt der Flughafen Supervisor dann ein lautes „Ha Ho He" durch die kleine Stadt Brandon schallen: „Dieser Fanruf ist einfach der Kracher und in der Bundesliga einmalig. Da kriegen wir immer Gänsehaut", schwärmen die langjährigen Fans im Gespräch mit herthabsc.com.

Mal Freude, mal Trauer, mal Lachen, mal Weinen – der Fußball löst bei beiden seit Kindheitstagen unbeschreibliche Gefühle aus: „Als Schüler habe ich mir alles zusammengespart, um ins Stadion zu kommen. Der Eintritt hat zwar nur 50 Pfennig gekostet, aber das war immer noch zu viel“, berichtet der 74-Jährige. Dem Nachwuchs legte er unseren Verein quasi in die Wiege. Mit Flagge und Tröte ging es gemeinsam zu unserem Hauptstadtclub, selber kickten die Berliner in Neukölln. 1997 zog die Familie, zu der auch Mutter Gudrun zählt, dann in die USA – der Sohn ging dort erst auf die Highschool, dann zur Universität. In bald drei Jahrzehnten haben sich die Sportenthusiasten in den Staaten viele Freundschaften aufgebaut.

Der Exil-Herthaner vor seiner Fototapete.
Weit weg und doch ganz nah: Für Holger Engel ist jedes Spiel ein Heimspiel.

Premiere vor Rekordkulisse

Eine davon besteht zu Holger Engel. Über einen Arbeitskollegen hat sich das Trio kennengelernt. Vor zwölf Jahren trieb es den 63-Jährigen über den großen Teich. Dabei ging der Koch mit seiner Leidenschaft für unseren Verein sogar noch ein Stück weiter: Für Wohlfühl-Atmosphäre sorgt in seinem Wohnzimmer eine riesige Fototapete vom Olympiastadion. „Das ist einfach Heimat! Hertha ist das Einzige, was ich wirklich vermisse. Deswegen brauche ich dieses Wandbild“, sagt der Restaurant-Besitzer. Im „Taste of Berlin“ serviert der Chef seit elf Jahren ausschließlich deutsche Gerichte. Natürlich ist auch das Lokal passend mit unserer Fahne geschmückt, ein Tisch sogar mit unserem Emblem verziert.

Im Gegensatz zu seinen beiden Freunden kam der Familienvater vor zwei Jahren zuletzt an die Spree. Natürlich stand auch in dieser Zeit ein Besuch bei unseren Jungs an – Engel sah einen 1:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach. Das gleiche Ergebnis gab es auch 1969 beim Spiel unserer Blau-Weißen gegen Köln vor der Rekordkulisse von 88.075 Zuschauerinnen und Zuschauer. Für den Fan damals eine außergewöhnliche Premiere im Olympiastadion und eine ganz besondere Erinnerung.

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Eine ganz tolle Erfahrung! Wir wurden richtig schön aufgenommen, konnten mit Spielern und Verantwortlichen offen sprechen und waren Teil der Hertha-Familie.
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-Sven-Marco Liste

Teil der Hertha-Familie

Unvergesslich bleibt auch das Trainingslager unserer Spreeathener im zurückliegenden Winter. Die IMG Academy – Aufenthaltsort der Mannschaft von Sandro Schwarz – war für die gebürtigen Berliner nur eine kurze Autofahrt entfernt. Demzufolge schauten die drei Anhänger gleich an mehreren Tage vorbei. „Eine ganz tolle Erfahrung! Wir wurden richtig schön aufgenommen, konnten mit Spielern und Verantwortlichen sprechen und waren so ein Teil der Hertha-Familie“, sagt Sven-Marco Liste. Und dabei beschränkten sich die drei Spreeathener nicht aufs Zuschauen: Beim Duell gegen den Millonarios FC halfen die Herthaner, die Bandenwerbung aufzustellen. Dafür schloss der Lokal-Inhaber extra früher. „Alle haben sich sehr über die Hilfe und das Engagement gefreut. Für den Herzensverein packt man doch gerne mal an“, berichtet Engel. Das gilt einmal mehr auch am kommenden Spieltag, wenn das Trio wieder früh aufstehet, blau-weiß schmückt und gemeinsam unseren Schlachtruf im Wohnzimmer erklingen lässt: „Ha Ho He!“

von Konstantin Rek