Durchatmen
Ein Kuss für den versenkten Ball von Jessic Ngankam, ein Urschrei von Márton Dárdai, ein Jubelsprung von Derry Scherhant und ein abschließender Lauf in die Ostkurve von Dodi Lukébakio – vier Treffer und vier Szenen, anhand derer sich der so wichtige 4:1-Heimerfolg unserer Blau-Weißen gegen Borussia Mönchengladbach gut nachvollziehen lässt. An einem „Super-Sonntag“ gelang unseren Berlinern so ein „richtiger Arbeitssieg, bei dem wir alles reingeworfen haben und jeder für jeden gekämpft hat“, wie Marco Richter es auf den Punkt formulierte. Die Erleichterung unserer Nummer 23 stand stellvertretend für das kollektive Durchpusten aller Herthanerinnen und Herthaner. „Mir fällt echt ein Stein vom Herzen! Dass drei Jungs aus der Akademie getroffen haben, ist auch überragend, gerade wie Márton das Ding an seinem Geburtstag reinschweißt – das hätte nicht besser laufen können“, freute sich der Flügelflitzer, der an diesem Tag sein 50. Pflichtspiel für unsere Farben bestritten hatte.
Ngankam bricht den Bann
Doch der Reihe nach: Denn um am Ende zu jubeln, musste unsere Elf auf dem Platz nach einer Schweigeminute für die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien zunächst Antworten auf das frühe 0:1 nach 17 Minuten finden. Der richtigen Reaktion von den Rängen, wo sofort wieder Anfeuerungsrufe erklangen, folgte eine ebensolche auf dem Rasen. „Wie wir nach dem Rückstand zurückgekommen sind, mit diesem Engagement, diesem Fleiß: Das muss der Weg sein, damit wir weiter Punkte sammeln“, betonte Marc Kempf. Unsere Hauptstädter bissen und füllten so das in der Vorwoche thematisierte Umdrehen des Matchglückes mit Leben. Nach Ngankams Ausgleich, seinem Premierentor im Berliner Olympiastadion, blieb unsere Alte Dame die aktivere Mannschaft. „Jessic hatte sich dieses Spiel verdient. Wir wollten seine Körperlichkeit nutzen, immer wieder den Stock in die Speichen halten – dafür ist er genau der Richtige, das hat er überragend gemacht“, lobte Sandro Schwarz bei der Pressekonferenz seinen in die Startelf beorderten Schützling, der damit nach 302 torlosen Bundesliga-Minuten den Bann unserer Spreeathener gebrochen hatte. „Fußball ist auch viel Psychologie. Mit dem ersten Tor war direkt der Glaube wieder da bei uns, das konnte man sehen“, bilanzierte Oliver Christensen.
[>]Fußball ist auch viel Psychologie. Mit dem ersten Tor war direkt der Glaube wieder da bei uns, das konnte man sehen![<]
Personalplanung geht auf
Der Spielverlauf gab unserem Torhüter Recht: Auch wenn vor der Pause kein weiterer Treffer gelingen sollte, war und blieb Hertha nun am Drücker. Nach dem Seitenwechsel schlug dann die Stunde von Geburtstagskind Dárdai, das unser Team mit dem von Richter angesprochenen Traumtor in Führung brachte. „Der Schuss hat sich ein wenig irreal angefühlt. Startelf, Tor und drei Punkte – viel schöner kann ich mir einen Geburtstag nicht vorstellen. Wir haben ein Lebenszeichen gesendet, das unheimlich wichtig ist“, jubelte der gebürtige Berliner. „Márton hatte sich den Startelfplatz verdient. Sein überragendes Tor ist noch ein Bonuspunkt, er hat aber auch sehr gut verteidigt“, freute sich Schwarz, dessen Personalplanung hier erneut aufging. Die Führung war der Lohn für das enorme Engagement unserer Hauptstädter, was sich auch an den Zahlen ablesen ließ. 17:7 Torschüsse, 2,7 zu 0,6 xGoals und eine fast 8 Kilometer größere Laufstrecke standen zu Buche.
Scherhants unvergessliche Premiere
Und doch blieb die Begegnung bis zur Nachspielzeit umkämpft. Unser Übungsleiter brachte im Verlauf der zweiten Hälfte immer wieder frisches Personal und wechselte auch die späteren Torschützen Scherhant und Lukébakio ein. Doch drei Minuten vor Schluss war noch einmal Christensen gefragt, der bei einem letzten Aufbäumen der Elf vom Niederrhein stark gegen Marcus Thuram parierte. „Wir haben gezeigt, dass wir zusammenstehen und nehmen ein gutes Gefühl für die kommenden Aufgaben mit“, stellte unser Schlussmann lieber das starke Kollektiv in den Mittelpunkt. Das gute Gefühl verstärkte ein weiteres Eigengewächs in der Nachspielzeit. Scherhant gelang mit seinem Treffer zum 3:1 eine zusätzliche Premiere an diesem Tag – ein unvergesslicher Moment, den unsere Nummer 39 kaum fassen konnte: „Für Hertha BSC ein Tor im Olympiastadion zu erzielen, ist genau das, wovon ich bisher mein ganzes Leben geträumt habe“, unterstrich der Offensivspieler, den sein Coach anschließend „sehr berührt“ erlebte. „Derry kam weinend in die Kabine, alle freuen sich für ihn. Ich habe ihm vor der Einwechslung noch gesagt, dass das ein guter Zeitpunkt für sein erstes Bundesliga-Tor wäre“, schmunzelte Schwarz.
[>]Für Hertha BSC ein Tor im Olympiastadion zu erzielen, ist genau das, wovon ich bisher mein ganzes Leben geträumt habe.[<]
Dranbleiben in Dortmund
Dieser Treffer war die Entscheidung, aber noch nicht der Schlusspunkt. Diesen setzte Lukébakio per Strafstoß und mit der finalen Aktion der Begegnung. Der Rest war blau-weißer Jubel – und Erleichterung darüber, sich im umkämpften letzten Tabellendrittel Luft verschafft zu haben. „Ich freue mich für die Fans und die Mannschaft. Das war ein gutes Wochenende, aber wir müssen noch mehr Punkte holen und dranbleiben“, untermauerte Schlussmann Christensen. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich erneut sonntags – und erneut gegen eine Borussia. Der kommende Kontrahent ist dann der BVB (19.02.23, 17:30 Uhr, Tickets hier). „Endlich mal wieder mit den Fans zusammen jubeln und schreien zu können, war einfach ein geiles Gefühl. Daran wollen wir anknüpfen – auch, wenn der nächste Gegner Dortmund heißt“, gab Offensivmann Richter abschließend das Motto für die Dienstreise ins Westfalenstadion aus. Dort wollen unsere Herthaner sich dann erneut für kollektiven Jubel und Erleichterung im blau-weißen Lager verantwortlich zeichnen.