Allet paletti, Patrick Ebert?
In über 130 Jahren haben verschiedenste Persönlichkeiten und Charaktere ihre Spuren bei Hertha BSC hinterlassen. Die Protagonisten haben die unterschiedlichen blau-weißen Epochen geprägt – durch ihren Einsatz auf dem Rasen entstanden Geschichten, die bei unseren Anhängerinnen und Anhängern bis in die Gegenwart schöne Gefühle auslösen. Diesen Erlebnissen, Anekdoten und Erinnerungen jener Herthaner möchten wir in unserer neuen Rubrik „Allet paletti?“ den verdienten Raum geben.
Weiter geht es mit Patrick Ebert – ein Eigengewächs unserer Alten Dame, das nach 14 Jahren in unserem Verein in die weite Fußballwelt hinausgezogen ist und zuletzt in Istanbul sein Geld verdient hat. Wo auch immer der gebürtige Potsdamer jedoch spielte, seine Wurzeln hat Ebi nie vergessen. „Hertha bedeutet mir sehr, sehr viel und ist ein ganz besonderer Verein für mich. Alles, was ich mit Fußball verbinde, habe ich dem Club zu verdanken und dort gelernt“, unterstreicht der 35-Jährige. Im Interview spricht der Mittelfeldmann mit herthabsc.com über besondere Momente und Mitspieler, den ihm gewidmeten Fangesang und das beste blau-weiße Team, in dem er spielen durfte.
herthabsc.com: Ha Ho He Ebi und danke, dass du dir Zeit für uns nimmst! Du hast das vergangene halbe Jahr bei Istanbulspor gezockt, ehe ihr den Vertrag kurz vor Weihnachten einvernehmlich aufgelöst habt. Wie hast du die Süper Lig erlebt?
Ebert: Gerne doch, Gruß nach Berlin! Fast alle Spiele waren relativ ausgeglichen, die Partien gegen die großen Mannschaften mal ausgenommen. Es entscheiden oft Kleinigkeiten, Fehler werden direkt bestraft. Es ist eine sehr junge Mannschaft, da gehören die auch ein stückweit dazu – aber in der Rückrunde sollte das Team sie minimieren, um mehr Punkte einzufahren (Istanbulspor liegt als Aufsteiger auf dem vorletzten Tabellenrang, Anm. d. Red.). Dafür drücke ich den Jungs die Daumen!
herthabsc.com: Vor Istanbul hat dich dein sportlicher Weg nach Griechenland zu AO Kavala und AO Xanthi geführt. Neben Stationen bei Dynamo Dresden und dem FC Ingolstadt hast du außerdem weitere Auslandserfahrungen bei Rayo Vallecano, Spartak Moskau und Real Valladolid gesammelt. Wie hast du die unterschiedlichen Vereine und Länder erlebt?
Ebert: Von jeder Station und aus jedem Land nimmt man etwas mit. Spielerisch und in der Stärke der Ligen gab es natürlich Unterschiede. Aber ich habe mich immer wohlgefühlt, schnell akklimatisiert und eingelebt. Hinzu kam, dass ich überall herzliche, freundliche Leute kennenlernen durfte, die es mir immer recht leicht gemacht haben.
[>]Ich wollte mich mit den Besten messen und habe gegen die ganz Großen spielen dürfen. Das sind Erfahrungen, die ich nie vergessen werde. Sowas bleibt, auch nach der Karriere.[<]
herthabsc.com: In Spanien hast du dich mit absoluten Branchengrößen wie dem FC Barcelona oder Real Madrid gemessen. Wie haben dich diese Erfahrungen geprägt? Als Spieler und als Mensch?
Ebert: Die Zeit dort hat mich erwachsener und reifer gemacht! Fußballerisch habe ich auch noch einiges dazugelernt. Meine taktische Ausbildung habe ich in Deutschland und bei Hertha genossen, aber spielerisch habe ich mich in dieser Zeit noch einmal deutlich verbessert. Das hat mir auf den weiteren Stationen meiner Karriere geholfen – über Spanien kann ich nur Gutes erzählen! Spiele gegen Barça oder Real sind zudem einfach wahrgewordene Kindheitsträume und waren einer der Hauptgründe für den Schritt. Ich wollte mich mit den Besten messen und habe gegen die ganz Großen spielen dürfen. Das sind Erfahrungen, die ich nie vergessen werde. Sowas bleibt, auch nach der Karriere.
herthabsc.com: Zumal du mit Real ja schon vorher gute Erfahrungen gemacht und bei einem Freundschaftsspiel 2011 für unsere Farben gegen die Königlichen getroffen hast…
Ebert: … (lacht) Ja, stimmt!
herthabsc.com: Dann lass uns bei diesem Stichwort jetzt über Blau-Weiß sprechen. 10.271 Minuten, 148 Pflichtspiele, 13 Tore, 26 Vorlagen – und dabei reden wir nur über die Zeit bei den Profis. Insgesamt hast du unsere Fahne 14 Jahre lang auf der Brust getragen. Kannst du erzählen, was unsere Alte Dame für dich bedeutet?
Ebert: Hertha bedeutet mir sehr, sehr viel und ist ein ganz besonderer Verein für mich. Alles, was ich mit Fußball verbinde, habe ich dem Club zu verdanken und dort gelernt. Wenn ich gerade nicht selber auf dem Platz stehe, gucke ich jedes Spiel. Leider ist in der ersten Mannschaft außer Prince kaum noch jemand da, mit dem ich mal gespielt habe, aber das ist normal – ich bin ja auch schon etwas älter geworden (grinst).
herthabsc.com: In deiner Zeit bei uns gab es einige unvergessliche gemeinsame Augenblicke. Einer davon: Wiederaufstieg 2011, Feier hinter der Ostkurve – und du stimmst das dir gewidmete bekannte Rowdy-Lied selbst an. Wie blickst du mit Abstand auf diese Geschichte zurück? Unsere Fans feiern dich bis heute mit dem Gesang…
Ebert: (lacht) … das war ein ganz besonderer Moment – auch wenn der Anlass für das Lied ursprünglich natürlich nicht so erfreulich war. Im Endeffekt kann ich im Nachhinein darüber schmunzeln, jeder war mal jung und hat dabei Fehler gemacht. Wichtig ist, dass man daraus lernt, das habe ich über die Jahre getan. Hertha ist ein besonderer Club und hat besondere Fans – dass sie mir ein eigenes Lied gewidmet haben, ist für mich deshalb schön.
herthabsc.com: War dieser Tag dein schönster als Hertha-Profi? Welche anderen besonderen Momente kommen dir sofort in den Sinn?
Ebert: (überlegt) Eine schwierige Frage. Es gab unheimlich viele tolle Augenblicke. Mein erstes Tor im Olympiastadion gegen Hannover war auch so einer. Aber auch viele lustige Momente in der Umkleidekabine oder bei Reisen zu Auswärtsspielen mit großartigen Mitspielern wie Yıldıray Baştürk, Marko Pantelić oder Josip Šimunić – das sind Erinnerungen, an die ich gerne zurückdenke.
herthabsc.com: Du sprichst einige großartige Kicker an, mit denen du bei uns gezockt hast. Welcher blau-weiße Jahrgang war der talentierteste, in dem du gespielt hast?
Ebert: Mit Blick auf die einzelnen Spieler war der Kader in meinem ersten Profijahr 2006/07 der beste überhaupt. Nicht die beste, wohl aber die erfolgreichste Hertha-Mannschaft, in der ich spielen durfte, war die Truppe 2008/09. Die Gruppe war gut zusammengestellt und hatte auch den größten Mannschaftsgeist. Lucien Favre war zudem einer der besten Trainer meiner Karriere. Er hat es hinbekommen, dass jeder Spieler funktioniert und auch weiter Gas gegeben hat, wenn er mal nicht auf dem Platz stand. Ein Rädchen hat ins andere gegriffen, wir sind in einen Lauf gekommen und haben plötzlich auch Spiele gewonnen, in denen wir nicht so gut waren.
herthabsc.com: Bis 2012 hast du für unseren Hauptstadtclub gespielt. Unsere Fans haben dich nie vergessen, ihre Wertschätzung hast du 2019 noch einmal spüren dürfen. Als du beim verrückten DFB-Pokalspiel mit Dresden zu Gast im Olympiastadion warst, ließ dich die Ostkurve nicht ohne Verabschiedung gehen. Wie eng ist deine Verbindung zu unserem Anhang immer noch?
Ebert: Die Fans sind ebenso wie der Club immer ein Teil von mir, ich habe noch regelmäßigen Kontakt mit Leuten aus der Kurve. Das wird immer so bleiben und ist mir wichtig. Das Spiel mit Dynamo war dementsprechend komisch, aber auch schön, weil wir als Mannschaft eine richtig gute Partie abgeliefert und es Hertha so schwer wie möglich gemacht haben. Es war im Endeffekt gut, dass Hertha weitergekommen ist. Sonst wären die Fans vielleicht stinkig gewesen, als ich hingegangen bin (grinst). Es war ein schöner Fußballabend und ein Moment, den ich genossen habe.
herthabsc.com: Schauen wir mal auf die blau-weiße Gegenwart. Mit Prince spielt ein weiterer Ur-Herthaner und enger Freund von dir seine letzte Saison als Aktiver bei uns. Ein zusätzlicher Ansporn für dich, unsere Spiele weiter aufmerksam zu verfolgen?
Ebert: Auf jeden Fall! Prince ist sehr glücklich, wir haben oft darüber gesprochen und schreiben natürlich regelmäßig über die Spiele wie auch privat. Bei dem Verein aufzuhören, bei dem auch alles begonnen hat – das ist ein gutes Ende. Mit seiner Erfahrung ist er für die Mannschaft auch immer noch wichtig. Was seine Anwesenheit auf dem Platz mit den Spielern um ihn herum machen kann, hat man ja in der vergangenen Saison in Hamburg gesehen. Selbst wenn er läuferisch nicht mehr jeden Weg gehen kann, macht Prince die Jungs um sich herum besser.
herthabsc.com: Hast du noch regelmäßigen Kontakt mit anderen ehemaligen Herthanern?
Ebert: Fußball ist ein relativ schnelllebiges Geschäft. Aber zu den Berliner Jungs wie Salli (Sejad Salihović, Anm. d. Red.) oder Asche (Ashkan Dejagah, Anm. d. Red.) habe ich noch einen guten Draht. Wenn wir die Zeit haben, sehen wir uns dann auch in Berlin auf einen Kaffee oder zum Mittagessen – das ist Gold wert. Mit Marko Pantelić schreibe ich ab und zu, guten Kontakt habe ich auch noch mit Maik Franz. Bei seinem Geburtstag habe ich auch Lusti (Fabian Lustenberger, Anm. d. Red.) mal wiedergetroffen. Es ist gut, dass man sich so immer mal wieder sieht – auch im Stadion. Denn wenn Hertha spielt und ich in der Stadt bin, dann bin ich natürlich da. Es ist immer wieder schön, zurückzukommen (lächelt).
herthabsc.com: Wie hast du die Hinrunde unserer Blau-Weißen insgesamt erlebt? Wie wirkt das Team auf dich, wie beurteilst du die Entwicklung der Mannschaft?
Ebert: Ich spüre einen kleinen Aufschwung. Das Engagement im Team ist deutlich angestiegen, es ist mehr Feuer in den Partien – das gefällt mir natürlich, weil ich auch ein leidenschaftlicher Spieler bin. Das Wichtigste ist, dass die Mannschaft auf wie neben dem Platz ein Team ist. Alle müssen bereit sein, zusammen alles für den Erfolg zu tun. Du musst Freude daran haben, den vom Mitspieler verlorenen Ball zurückzuholen, da soll ein Geben und Nehmen herrschen. Das müssen, das wollen die Fans sehen. Ich glaube, dass Hertha auf einem guten Weg ist und mit Sandro Schwarz auch einen sehr guten Trainer hat.
[>]Ich spüre einen Aufschwung. Das Engagement im Team ist deutlich angestiegen, es ist mehr Feuer in den Partien – das gefällt mir. Hertha ist auf einem guten Weg.[<]
herthabsc.com: Was wird aus deiner Sicht für eine zufriedenstellende Rückrunde entscheidend sein?
Ebert: Was das Team jetzt mal schaffen muss, ist eine Serie zu starten. Nach dem Sieg gegen Köln müssen die Jungs in Bochum daran anknüpfen. Wenn das gelingt, sind es dann schon zwei Siege in Serie und plötzlich gehen die Gegner mit einem ganz anderen Respekt in die Begegnungen. Wichtig wird sein, in jeder Partie den unbedingten Willen reinzubekommen, auf keinen Fall zu verlieren. Wenn der da ist, wird man oft zumindest mit einem Punkt belohnt. Ich bin mir jedenfalls sicher: Das wird alles!