Myziane Maolida (r.) und Dayot Upamecano rangeln um den Ball, Wilfried Kanga schaut zu.
Profis | 6. November 2022, 12:52 Uhr

Glaube bis zum Schluss

Plötzlich richteten sich sämtliche Augen im mit 74.667 Zuschauerinnen und Zuschauern gefüllten Olympiastadion auf Florian Lechner. Die reguläre Spielzeit im Duell zwischen unserer Alten Dame und dem FC Bayern München war gerade abgelaufen, da hielt der vierte Offizielle seine Tafel in die Höhe. Auf dieser prangte eine große Vier: die Nachspielzeit! Vier Minuten verblieben unseren Jungs also noch, um sich für einen beeindruckenden Auftritt zu belohnen und eine leidenschaftliche Aufholjagd erfolgreich abzuschließen. Was im Fußball innerhalb von nur 240 Sekunden alles passieren kann, bewies die erste Halbzeit dieses spektakulären Kräftemessens – doch dazu in der Folge mehr. Tatsächlich tauchten unsere Spreeathener in Person von Jonjoe Kenny und Myziane Maolida unmittelbar vor dem Abpfiff der Partie noch zwei Mal verheißungsvoll im gegnerischen Strafraum auf, zum Happy End reichte es aber nicht. So stand aus blau-weißer Sicht am Ende eines wilden Schlagabtauschs eine knappe 2:3 (2:3)-Niederlage zu Buche. „Wir hatten sie am Haken, haben aber leider nicht so zugeschnappt, wie wir es hätten machen können“, resümierte Sandro Schwarz mit einer Mischung aus Stolz und Ernüchterung.

Richtige Ausfahrt nach Doppelschlag

Zufrieden konnte unser Cheftrainer vor allem mit dem Auftakt seiner Schützlinge sein: Dodi Lukébakio und Co. starteten aktiv, forsch und mutig in das Heimspiel vor ausverkauftem Haus. Die Führung gelang allerdings den Gästen – und zwar nach ihrer allerersten Torchance durch Jamal Musiala (12.). „Das war sehr ärgerlich“, so der Fußballlehrer. Richtig Fahrt nahm die Begegnung schließlich in der Schlussphase des ersten Abschnitts auf. Der formstarke Eric Maxim Choupo-Moting drückte den Ball kurz hintereinander gleich zwei Mal über die Linie und sorgte somit für einen Münchner Doppelschlag (37., 38.). Selbst Julian Nagelsmann, Coach der Gäste, bezeichnete den Vorsprung seiner Elf als „vielleicht etwas zu hoch“. Nichtsdestotrotz standen unsere Hauptstädter zu diesem Zeitpunkt am Scheideweg – doch wie schon nach dem Drei-Tore-Rückstand in Leipzig Mitte Oktober wählten sie die richtige Ausfahrt.

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Ich habe auch noch keinen Elfmeter in der Bundesliga verschossen, weswegen ich mir sehr sicher war.
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-Davie Selke

Nahezu postwendend gab Dodi Lukébakio mit seinem sechsten Saisontreffer die passende Antwort (40.). Wiederum nur wenig später – und noch vor der Pause – stellte Davie Selke nicht nur den Anschluss wieder her, sondern feierte obendrein seine Torpremiere in dieser Spielzeit (45.). Daran hatte auch der belgische Teamkollege unserer Nummer 7 einen Anteil, überließ er die Kugel beim Strafstoß doch uneigennützig dem zuvor von Benjamin Pavard Gefoulten. „Kompliment an Dodi, der die vergangenen Elfmeter reingemacht hat. Aber ich habe auch noch keinen verschossen in der Bundesliga, weswegen ich mir sehr sicher war“, gab der 27-Jährige zu Protokoll. Der 1,95-Meter-Mann, der für den verletzten Stevan Jovetić sowie den unter der Woche an einem Magen-Darm-Infekt laborierenden Wilfried Kanga in den Angriff gerückt war, verwandelte damit zum vierten Mal vom Punkt im deutschen Oberhaus. Lob gab es für Selke, der darüber hinaus seinen 200. Einsatz in der Beletage absolvierte, von seinem Übungsleiter. „In dieser 4-4-2-Grundordnung hat er viel Betrieb gemacht und war zudem auch gegen den Ball sehr fleißig“, so Schwarz.

Für seine Doppelspitze hatte sich der 44-Jährige einen besonderen Plan ausgedacht. „Dodi sollte mit seiner Geschwindigkeit einen kürzeren Weg zum Tor haben. Der Grundgedanke dabei war es, nach Balleroberung den Ball schnell flach in die Tiefe zu spielen“, verriet der Ex-Profi. Ein Paradebeispiel, wie dies laufen sollte, ereignete sich nach dem Seitenwechsel. Der gerade frisch gekommene Ivan Šunjić schickte unsere Nummer 14 auf die Reise. Doch bevor sich für den sprintstarken Linksfuß wohl eine herausragende Gelegenheit aufgetan hätte, spitzelte Dayot Upamecano das Kunstleder weg. „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass wir noch das 3:3 machen, aber es hat nicht gereicht“, erklärte Selke nach dem torlosen zweiten Abschnitt, in dem unsere Berliner ganz dicht dran waren, der UEFA Champions League-Teilnehmer das Resultat jedoch über die Zeit brachte.

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Dodi sollte mit seiner Geschwindigkeit einen kürzeren Weg zum Tor haben.
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-Sandro Schwarz

Zwei Partien bis zur Bundesliga-Unterbrechung

Punkte bescherte der Schwarz-Elf die couragierte Leistung zwar nicht, dafür jedoch weiteres Selbstvertrauen. „Wir nehmen ganz klar die positiven Dinge mit“, gab sich der eingewechselte Prince Boateng entschlossen. „Wir haben erneut gezeigt, dass es mit harter Arbeit und Willen funktionieren kann. Wir haben uns nach dem 0:3 nochmal reingehauen, sind gut zurückgekommen und haben die Bayern zum Zittern gebracht – das schaffen nicht viele Mannschaften und damit hätte auch niemand mehr gerechnet“, führte der Routinier weiter aus. Umso wichtiger ist es nun, aus den beiden vor der langen Bundesliga-Unterbrechung verbleibenden Paarungen etwas Zählbares mitzunehmen. „Gegen Stuttgart und Köln wollen wir unbedingt punkten“, formulierte Kapitän Marvin Plattenhardt das Ziel für das Auswärtsspiel in Schwaben (Di., 08.11.22, 20:30 Uhr – hier Tickets sichern) und dem Heimduell mit den Rheinländern (Sa., 12.11.22, 15:30 Uhr – hier Karten krallen). Dabei hoffen die Herthaner natürlich auch wieder auf die Hilfe ihrer Anhängerinnen und Anhänger. „Die Unterstützung der Fans ist so wichtig für uns. Sie geben uns enorm viel Kraft und verstärken die Lust, alles auf dem Rasen rauszuhauen“, hob Lukébakio hervor. Schwarz pflichtete seinem Stürmer bei: „Wie wir als Mannschaft aufgetreten sind und bis zuletzt den Glauben aufrechterhalten haben, war sehr gut. Das gilt auch für die Leute im Stadion!“ Genau so soll es nun also noch zwei weitere Male sein – bis zur allerletzten Minute.

Unseren Nachbericht gibt es auch in Leichter Sprache.

von Erik Schmidt