Jean-Paul Boëtius am Ball, umgeben von Bremer Gegenspielern.
Profis | 29. Oktober 2022, 11:30 Uhr

Der letzte Pass

Applaus nach Balleroberung, hoffnungsvolles Beobachten eines sich aufbauenden Angriffs und dann Ernüchterung, wenn die gegnerische Defensive doch noch ein Bein dazwischen bekam – ein Muster, dass sich beim Flutlicht-Gastspiel unserer Herthaner beim SV Werder Bremen auf beiden Seiten mehrfach wiederholte. Immer wieder erspielten sich beide Seiten in der umkämpften, engen Begegnung Ansätze zu Chancen, immer wieder bremsten sie sich gegenseitig noch aus und verhinderten den entscheidenden, letzten Pass. „Beide Mannschaften haben viel gekämpft und viel gewühlt“, beschrieb es Marvin Plattenhardt passend. Dass am Ende trotzdem die Gastgeber einen späten 1:0-Heimerfolg bejubelten, verhagelte die Laune im Berliner Lager. „Wir haben auswärts eine gute Leistung abgeliefert, aber das Glück hat uns etwas gefehlt. Wenn wir die Partie zehn Mal absolvieren, kommen neun Unentschieden heraus – ein typisches 0:0. Natürlich ist das frustrierend“, bekannte Oliver Christensen. Sandro Schwarz brachte die Gefühlslage aller Herthanerinnen und Herthaner auf den Punkt: „Die Jungs waren da und sind marschiert, das haben die Fans gespürt - aber wir müssen es bis zum Schluss durchziehen. Es ist bitter und ärgerlich, dass wir so ein Spiel verlieren“, sagte unser Cheftrainer.

Umkämpfter & torloser erster Durchgang

Dabei war seine Mannschaft, die der gebürtige Mainzer in der Hansestadt nach dem Sieg gegen Schalke 04 nur auf einer Position umgestellt hatte, direkt in der Partie. Durch den frühen Außennetztreffer (2.) von Startelf-Rückkehrer Marco Richter, der anstelle von Chidera Ejuke begann, besaßen unsere Spreeathener die erste gute Gelegenheit. „Wir wussten, was uns an einem Freitagabend unter Flutlicht in Bremen erwarten wird. Das haben wir aber gut angenommen und dagegengehalten. Leider waren wir nicht zwingend genug“, bilanzierte unsere Nummer 23. Mitspieler Marc Kempf bemängelte „zu viele Ballverluste in der ersten Hälfte“, die umkämpft blieb, folgerichtig jedoch torlos endete.

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Wenn wir die Partie zehn Mal absolvieren, kommen neun Unentschieden heraus – ein typisches 0:0.
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-Oliver Christensen

Steigerung in Durchgang zwei

Mit Beginn der zweiten Hälfte agierte unsere Alte Dame dann noch griffiger. „Hertha ist im zweiten Durchgang gut reingekommen, wir hatten den einen oder anderen Ballverlust“, bekannte Werder-Coach Ole Werner. „Nach dem Seitenwechsel haben wir uns aus meiner Sicht deutlich besser präsentiert und das Spielgeschehen bestimmt“, sah auch Kempf eine Steigerung unserer Farben. Gute Chancen durch Wilfried Kanga (49.) und Dodi Lukébakio (56.) waren die Folge – doch die Belohnung in Form der Führung blieb unseren Blau-Weißen verwehrt. „Vor allem in der zweiten Halbzeit waren wir die bessere Mannschaft – sehr dominant und aktiv im Ballbesitz. Leider haben wir es aber nicht in Tore ummünzen können“, bedauerte Jean-Paul Boëtius, der bereits nach einer halben Stunde für den mit muskulären Problemen ausgeschiedenen Stevan Jovetić in die Partie gekommen war.

Spätes Gegentor „tut richtig weh“

Im Anschluss prägten wieder mehr und mehr Zweikämpfe sowie „wenig Nettospielzeit“ das Bild, wie es Coach Schwarz treffend formulierte. „Leider hat uns im letzten Drittel die Konsequenz gefehlt, teilweise haben wir es zu kompliziert gemacht. Ein Punkt wäre gemessen an unserem Aufwand definitiv verdient gewesen“, erklärte Abwehrmann Kempf. Doch als alles auf ein torloses Remis hindeutete, schnappte Werder sich durch Niclas Füllkrugs Kopfballtor (85.) noch den Sieg. „Es tut richtig weh, dass wir so ein spätes Gegentor bekommen haben. Im Moment bin ich einfach nur sauer“, haderte Boëtius mit dem Nackenschlag. Trainer Schwarz hegte ähnliche Gefühle. „Ein Spiel so zu verlieren, nervt. Wir müssen unsere Inhalte bis zum Schluss durchziehen. Es geht für uns jetzt darum, diese Themen ehrlich anzusprechen, sie aufzuarbeiten und dann gerade in derart engen Spielen die Schlüsselmomente auf unsere Seite zu ziehen. Denn über weite Strecken zeigen wir all das, aber wir müssen bis zum Schluss konsequent sein“, unterstrich der Fußballlehrer die Anforderungen an sein Team.

Unsere Profis bedanken sich bei den mitgereisten Fans in Bremen.
Ein Dank für den Support: Unsere Jungs verabschieden sich von den mitgereisten Blau-Weißen.

Köpfe hoch – und Blick auf Bayern

Auch Mitspieler Richter schmerzte das 0:1 und dessen Entstehung. „Bei Füllkrug läuft es gerade, da fällt der eben rein. Aber wir hätten es auch besser verteidigen müssen: Auf der Außenbahn haben wir keinen Druck draufbekommen, im Zentrum hätten wir den Zweikampf besser annehmen müssen“, analysierte unser Flügelflitzer, der jedoch noch in den Katakomben des Bremer Stadions den Blick nach vorne richtete. „Wir dürfen jetzt nicht zu lange hadern, müssen die Köpfe hochbekommen – denn nächste Woche geht es weiter“, brachte der 24-Jährige die Lage auf den Punkt.

Am kommenden Samstag gastiert kein geringerer Gegner als der FC Bayern im Berliner Olympiastadion (05.11.22, 15:30 Uhr, hier Tickets buchen), die weiteren Aufgaben in der abschließenden englischen Woche vor der langen Winterunterbrechung lauten VfB Stuttgart (08.11.22, 20:30 Uhr, Karten könnt ihr hier kaufen) und 1. FC Köln (12.11.22, 15:30 Uhr, Tickets gibt es hier). Vor dem Duell mit dem Rekordmeister fordert unser Trainer von seinem Team den Fokus auf das Machbare. „Wir wissen alle, welche Qualität Bayern hat. Trotzdem müssen wir auch in solchen Spielen bei uns bleiben - und die Konsequenz haben, in jeden verdammten Zweikampf reinzugehen sowie die Balleroberungen, die wir haben, sauber zu Ende zu spielen“, verdeutlichte der 44-Jährige. So wollen unsere Hauptstädter auch das letzte Zuspiel wieder öfter durchbringen – und so ein bewegtes Jahr 2022 mit möglichst viel Zählbarem zu Ende führen.

Unseren Nachbericht gibt es auch in Leichter Sprache. 

von Konstantin Keller