Entrissen
Die Gegensätze hatten kaum größer sein können. Unsere Jungs ließen sich in erster Enttäuschung auf den Rasen fallen, während die Mainzer vor ihrer Kurve jubelten. Auch in der Mixed Zone wiederholte sich das Bild: Geknickte Blau-Weiße auf der einen, grinsende Gastgeber auf der anderen Seite. Bei der Betrachtung des reinen Ergebnisses der umkämpften 94 Minuten auf den ersten Blick ein verwunderlicher Kontrast, buchten doch beide Seiten durch das 1:1 einen weiteren Zähler auf das eigene Konto. Doch der durch den Ausgleich der Nullfünfer unmittelbar vor dem Abpfiff entrissene Sieg nagte in diesen Momenten natürlich stark an allen Herthanerinnen und Herthanern. „Diese Reaktionen nach dem Schlusspfiff sagen eigentlich alles. Wir sind sauer und enttäuscht“, fasste Jean-Paul Boëtius die Gefühle passend zusammen. „Das Gegentor mit der letzten Aktion ist extrem bitter, auch vor dem Hintergrund der vergangenen Woche“, bilanzierte Sandro Schwarz, dessen Team erneut an einem Erfolg schnupperte, sich schlussendlich aber mit dem fünften Punkt aus den vergangenen drei Partien zufriedengeben musste.
Tousarts Faible für das 1:0: Unsere Nummer 29 köpft zur Führung
Dabei waren unsere Hauptstädter in Rheinhessen lange obenauf und gingen in einer von Zweikämpfen geprägten Partie nach einer halben Stunde in Führung. „Im ersten Durchgang haben wir das Spiel auf unsere Seite gezogen“, unterstrich Torschütze Lucas Tousart, der zum vierten Mal für unsere Alte Dame netzte – zum dritten Mal war es das 1:0, zum zweiten Mal knipste der Franzose dabei in Mainz. „Chidi hat den Ball gut ins Zentrum gebracht. Ich habe antizipiert, wo die Kugel hinkommen könnte, und war dann per Kopf zur Stelle“, beschrieb unsere Nummer 29 die Szene. Vorlagengeber Chidera Ejuke hätte vor dem Seitenwechsel beinahe noch auf 2:0 gestellt, doch FSV-Schlussmann Robin Zentner verhinderte beim Schlenzer des Nigerianers in der 41. Minute den Einschlag.
[>]Im ersten Durchgang haben wir das Spiel auf unsere Seite gezogen. Chidi hat den Ball gut ins Zentrum gebracht. Ich habe antizipiert, wo die Kugel hinkommen könnte, und war dann per Kopf zur Stelle![<]
Kaum Torabschlüsse in Durchgang zwei – bis zum Mainzer „Lucky Punch“
In der zweiten Hälfte nahm die Intensität in den Duellen weiter zu, Torabschlüsse wurden noch rarer. „Mainz hat einfache Mittel gewählt: Lange Bälle und Fokus auf zweite Bälle. Davon haben wir uns beeindrucken lassen und hatten nicht mehr das Anlaufverhalten wie in Durchgang eins“, beschrieb Coach Schwarz die Entwicklung auf dem Rasen. Die Nullfünfer mühten sich, unsere Elf ließ jedoch keine klaren Chancen der Gutenbergstädter zu – ehe diese mit der letzten Aktion der Partie in Person von Anthony Caci doch noch die eine Lücke in der blau-weißen Defensive fanden. FSV-Coach Bo Svensson sprach bei der Pressekonferenz passenderweise von einem „Lucky Punch“. „Vielleicht waren wir nach der Pause zu nervös. Wir haben zu wenig mitgespielt, stattdessen nur lange Pässe geschlagen. Trotzdem waren wir so nah am Sieg dran“, bedauerte Boëtius. „Offensiv war es zu wenig, um die Führung auszubauen. Wir haben uns reingeworfen, bis zur letzten Minute eigentlich gut verteidigt und müssen nun daran arbeiten, bis zur letzten Sekunde konsequent zu sein. Dann bringen wir in Zukunft solche Führungen auch ins Ziel“, analysierte Marc Kempf, der angeschlagen zur Pause ausgewechselt werden musste, das Geschehen. Unser Niederländer schloss sein Statement ähnlich ab. „In solchen Partien müssen wir bis zum Ende richtig in die Zweikämpfe gehen, damit der zweite Ball nicht beim Gegner landet. Das war unser Fehler“, erklärte unsere Nummer 10.
Schwarz‘ Zwischenfazit: Ordentliche Partien, mehr Punkte möglich
Fehler, aus denen unsere Berliner lernen können, sollen und werden. Nach diesem dritten ungeschlagenen Spiel in Serie bietet die Länderspielpause nun Gelegenheit für Profis und Trainerteam, das bisher Erlebte zu analysieren und weiterhin hart zu arbeiten. „Leistungstechnisch und inhaltlich haben wir sehr ordentliche Partien abgeliefert, müssen aber gleichzeitig stets kritisch bleiben, da es immer wieder Phasen gibt, in denen wir zu passiv sind, nicht für genügend Entlastung sorgen“, fasste unser Coach diese Wochen zusammen. „Man sieht die Art, wie wir Fußball spielen wollen, das ist wichtig“, sagte Schwarz, der jedoch auch den Finger in die Wunde legte: „Gleichzeitig hätten wir natürlich gerade in den vergangenen beiden Spielen einige Punkte mehr holen können.“
Ein Vorhaben, dass der Fußballlehrer mit seinen Schützlingen nun nach der Bundesliga-Unterbrechung aufs Neue angehen wird. Erste Gelegenheiten hierzu bieten die Heimspiele gegen die TSG Hoffenheim (02.10.22, 15:30 Uhr) und den SC Freiburg (09.10.22, 17:30 Uhr, hier gibt es Tickets). „Es sind Kleinigkeiten, die aktuell ein bisschen gegen uns laufen. Dennoch müssen wir positiv bleiben“, unterstrich Kapitän Plattenhardt. Die Sonntagsschichten sollen dann nach gründlicher Vorbereitung auf die Kräftemessen jenen Lohn bereithalten, den Mainz unserer Mannschaft so spät noch entriss.