Sandro Schwarz stellt sich in einer virtuellen Medienrunde vor.
Profis | 3. Juni 2022, 17:18 Uhr

„Aktiv, miteinander, füreinander!“

Digitaler Austausch hat in den vergangenen beiden Jahren enorm an Bedeutung gewonnen – auch im Profifußball. Eine virtuelle Medienrunde stellte auch den ersten Termin für Sandro Schwarz als Trainer unserer Alten Dame dar. Unser neuer Coach wollte die Medienschaffenden, die unseren Verein täglich begleiten, gerne bereits vor seiner offiziellen Vorstellungspressekonferenz kennenlernen und beantwortete bei diesem ersten Gespräch alle Fragen der Anwesenden. „Mir ist es wichtig, ein Gefühl füreinander zu bekommen und nicht auf den 20. Juni zu warten. Ich freue mich auf die respektvolle Zusammenarbeit und gehe die mit großer Offenheit an“, leitete der Ex-Profi das Gespräch ein. Dabei ging es um eine Vielzahl an Themen und natürlich auch um die Herangehensweise des Fußballlehrers an seine neue Herausforderung in Spreeathen. „Ich freue mich nach sehr guten Gesprächen mit Fredi Bobic auf die Aufgabe hier und die Menschen im Club. Als Gruppe wollen wir aktiv sein, miteinander arbeiten und füreinander da sein“, beschrieb der 43-Jährige seinen Ansatz. HerthaTV hat die gesamte Runde aufgezeichnet, herthabsc.com fasst die wichtigsten Aussagen des gebürtigen Mainzers zusammen. Schwarz sprach unter anderem über…

… seine Tätigkeit in Moskau:

Ich verurteile den russischen Angriffskrieg und verstehe die Diskussion um das Thema. Darüber spreche ich offen, und beschreibe die Dinge so, wie ich sie gesehen und gefühlt habe. Was in der Ukraine passiert, ist das Schlimmste überhaupt. Die Zeit in Moskau war schon bis zum 24. Februar sehr intensiv, aber danach hat sich alles verändert. Ab diesem Tag war die Situation hochemotional, wir haben viele Gespräche geführt – mit Clubverantwortlichen, Spielern und Staff. Nach all diesen schrecklichen Bildern in den Medien war mir wichtig, die Haltung meiner Mitmenschen zu erfahren. Aus unserem Austausch hat sich ergeben, dass wir als Gruppe diesen schwierigen Weg gemeinsam gehen. Allen im Club war und ist bewusst, was diese Situation bedeutet. Wir hatten unzählige emotionale Momente mit ukrainischen und russischen Spielern, die bei mir im Trainerzimmer waren – und am Ende haben wir alle geweint. Ich habe eine tiefe innere Zerrissenheit gespürt, mir war aber bewusst, dass ich gerade in dieser schwierigen Zeit ein Anker und ein wichtiger Ansprechpartner für viele Leute im Verein bin. Was ich sagen kann: Die Menschen im Dynamo-Umfeld sind außergewöhnliche, gute Menschen, die eine klare Haltung haben. So reifte dann auch meine Entscheidung. Es ging dabei nicht um Sport, Titel oder finanzielle Aspekte – einzig und allein um die Menschen vor Ort, die mich gebraucht haben und für die ich da sein wollte. Als Mensch habe ich die Situation für mich jeden Tag aufs Neue bewertet und reflektiert. Für die Gruppe und für mich musste ich so entscheiden – immer mit der Haltung gegen diesen Angriffskrieg und dem Wissen um die Gefühle der Menschen um mich herum. Hätten die anders ausgesehen, wäre die Tür für einen Verbleib nicht einen Spalt offen gewesen. So sind wir als Gruppe viele schwierige Momente angegangen. Das hat uns alle noch näher zusammengebracht. Ich glaube, dass viele Menschen in der gleichen Situation und mit der gleichen emotionalen Bindung, fernab vom Job, genauso entschieden hätten wie ich. Ende März stand für mich jedoch fest, dass ich nicht über die Saison hinaus weitermachen kann – völlig unabhängig von einer kommenden Trainerstation. Ich konnte vertreten, bis zum Sommer für diese Gruppe da zu sein, da sie die gleichen Werte hat wie ich. Nach der Pause zurückzukommen und eine neue Gruppendynamik aufzubauen, war für mich aber nicht mehr vorstellbar. Auch für meine Familie, meine zwei kleinen Kinder, musste ich so handeln. Ich bin extrem erleichtert, dass diese Drucksituation mit der Rückkehr in die Heimat nun für uns beendet ist.

… seine Weiterentwicklung als Coach:

Jede Station dient einem Trainer dazu, etwas zu lernen und sich selbst zu reflektieren. In Mainz hatten wir sehr viele schöne, aber auch schwierige Momente, die wir jedoch gut moderiert haben – mit einer klaren Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollten. Die Zeit in Moskau bis zum 24. Februar, eine andere Kultur zu erleben, war sehr prägend. Die vergangenen drei Monate waren eine Extremsituation, die aber auch zur Persönlichkeitsentwicklung gehört. Ich nehme Erfahrungswerte mit, dennoch gilt es für mich nun auch, mich voll und ganz auf den neuen Club einzulassen – mit einer klaren Idee, wie wir auf dem Platz agieren und miteinander umgehen wollen.

… seine Herangehensweise & Ziele mit Hertha BSC:

Ich freue mich nach sehr guten Gesprächen mit Fredi Bobic auf die Herausforderung und die Aufgabe hier bei Hertha. Die Vorfreude auf die Menschen im Club und den Job ist da. Als Gruppe wollen wir aktiv sein, miteinander arbeiten und füreinander da sein! Das, was ich sehen möchte, werde ich in hohem Maße vorleben: Dass wir als Gemeinschaft auftreten und darüber hinaus auch eine deutliche Idee unseres Spiels haben - nach vorne gerichtet und mit klarer Struktur. Mich reizt, mit fleißiger Arbeit in einem großen Club wie diesem einen Stimmungswandel herzustellen. Diese Chance sehe ich – bei allen Problemen der Vergangenheit. Wir packen jetzt gemeinsam an und wollen eine klare Richtung vorgeben. Das war und ist vom ersten Gespräch an mein Antrieb. Die Entscheidung, zu Hertha zu kommen, habe ich auch unabhängig von der Ligazugehörigkeit des Clubs getroffen. Die Aufgabe hier ist extrem reizvoll, wir gehen diese mit Demut an und wollen fleißig arbeiten. Das sind die ersten Schritte ab dem 20. Juni. Es wird darum gehen, eine Identität zu entwickeln, die es Menschen ermöglicht zu sagen: „Das ist eine Hertha-Mannschaft!“ Es soll vom ersten Training an Energie und Aktivität auf dem Platz entstehen.

… Personalentscheidungen und seine Einbindung in die Kaderplanung:

Ich möchte mit den Spielern persönliche, offene Gespräche führen und danach gemeinsam Entscheidungen treffen. Mir ist wichtig, mit den Jungs zu sprechen, ihre Gefühlslage und ihre Sichtweise zu hören und mir so selbst ein Bild zu machen. Ich habe mich natürlich schon intensiv mit dem Kader beschäftigt und mit Fredi Bobic dazu ausgetauscht, war seit dem erfolgreichen Relegations-Rückspiel eingebunden. Dass Peter Pekarík verlängert, habe ich so zum Beispiel auch frühzeitig mitbekommen (schmunzelt). Jetzt stehen viele weitere Gespräche an, und wir wollen zusammen die bestmöglichen Entscheidungen im Sinne des Vereins treffen.

… sein künftiges Trainerteam und den Staff:

Co-Trainer Volkan Bulut und Analyst Daniel Fischer werden mit nach Berlin kommen, mit beiden habe ich schon bei Dynamo zusammengearbeitet. Darüber hinaus begleitet mich auch Tamás Bódog, den ich aus vielen Jahren als Mitspieler kenne und der als Co- wie als Cheftrainer bereits Erfahrung gesammelt hat. Vedad Ibišević und Andreas Menger werden ebenso wie die Athletiktrainer in unserem Team bleiben.

von Konstantin Keller