Der Lkw von der Berliner Stadtmission steht vor dem Olympiastadion.
Engagement | 22. November 2021, 16:09 Uhr

'Hertha wärmt!': Spenden sammeln für Wohnungslose

Der Winter ist da und die Temperaturen sinken – in den nächsten Monaten verharrt das Thermometer rund um den Gefrierpunkt. Nicht alle Berlinerinnen und Berliner haben die Möglichkeit, sich in einem warmen Zuhause oder mit dicker, wetterfester Kleidung gegen diese Kälte zu schützen. Zu viele Bedürftige müssen die kalte Jahreszeit wieder auf der Straße verbringen. Doch den betroffenen Menschen kann jeder helfen – und genau das unternehmen unsere Fans mit ihrer Aktion 'Hertha wärmt!' bereits zum zehnten Mal: Vor unserem Heimspiel gegen den FC Augsburg (27.11.21, 15:30 Uhr) ruft unsere Anhängerschaft zu der Spendenaktion auf. Gesammelt werden Kleider- sowie Sachspenden, die dann direkt an die Berliner Stadtmission gehen. 'Cody' von den 'Harlekins Berlin '98' erklärt gegenüber herthabsc.com wie die Aktion zustande gekommen ist und sich seitdem entwickelt hat, wer mit den Spenden unterstützt wird und wie man darüber hinaus helfen kann.

herthabsc.com: 'Cody', zehn Jahre 'Hertha wärmt!': Angefangen hat alles mit einem ausgemisteten Kleiderschrank. Wie hat sich die Sammelaktion seitdem in der vergangenen Dekade entwickelt?
'Cody': Rückblickend auf die erste Spendenaktion ist daraus tatsächlich eine Riesensache entstanden. Von Jahr zu Jahr wurden es immer mehr Spenden – anfangs reichte eine gemietete Pritsche und mittlerweile füllen wir seit mehreren Jahren zwei LKW. Es erstaunt uns jedes Mal auf ein Neues, wie die Hertha-Familie diese Aktion unterstützt. Dafür möchten wir uns auch auf diesem Weg bedanken.

herthabsc.com: Was waren die größten Herausforderungen in dieser Zeit?
'Cody': Die ersten beiden Jahre haben wir die Spenden in dem 'Café Bankrott' des mob e.V.  - bekannt für die Obdachlosenzeitung 'Straßenfeger' - gesammelt. Leider musste das Café seine Räumlichkeiten aufgrund extremer Mieterhöhungen und Beschwerden der Anwohnenden aufgeben. Auf der Suche nach einem neuen Träger der Obdachlosenhilfe kam ein Kontakt mit der Kleiderkammer der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße zu Stande. Der damalige Mitarbeiter namens Guido war selbst blühender Hertha-Fan und hat in Eigenregie nach Feierabend das Lager aufgeschlossen – somit konnten wir nach dem Spiel direkt alle Spenden einlagern. Guido und die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer waren über die Jahre hinweg ebenfalls stets bei der Sammelaktion vor dem Olympiastadion dabei. Leider ist Guido mittlerweile verstorben. Die Kontaktaufnahme zur Stadtmission im darauffolgenden Herbst war dadurch schwieriger als gedacht, da die Handynummer nicht mehr erreichbar war. Schließlich kam die traurige Nachricht in einer förmlichen Antwort per Mail an uns zurück.

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Letztendlich ist es der Ort und der Verein, zu dem am Spieltag alle Herthanerinnen und Herthaner von überall ins Stadion kommen – das alles macht die Aktion unter diesem gemeinsamen Motto 'Hertha wärmt!' zu einem Erfolg!
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-'Cody'

herthabsc.com: Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission nach diesem Schicksalsschlag entwickelt?
'Cody': Glücklicherweise war Guidos Engagement bestens bekannt und somit war auch sein Nachfolger Veikko sofort bereit, das Projekt mit uns fortzuführen – seitdem läuft die Aktion fast schon professionell. Die Stadtmission hat die Kleiderkammer ausgeweitet, wodurch eine kleine Firma namens 'Textilhafen' entstanden ist – dort sortieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Spenden, verteilen sie auf die Standorte oder werten sie auch mittels Upcyclings auf. Infolgedessen wurden einige freiwillige Helferinnen und Helfer, die selbst für einige Zeit obdachlos waren, zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gehen seitdem wieder einer geregelten Beschäftigung nach. Die Anschaffung der beiden LKW war ebenfalls eine große Entlastung für uns. Wir arbeiten hier tatsächlich Hand in Hand und beide Seiten freuen sich bereits auf den 27. November.

herthabsc.com: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf eure Aktion ausgewirkt?
'Cody': Im vergangenen Jahr, als die Pandemie zum Anfang des Winters in die zweite Welle gestartet ist, waren die Zuschauerinnen und Zuschauer noch von den Spielen ausgeschlossen und wir haben mit einem deutlich geringeren Aufkommen gerechnet. Wir wollten aber in jedem Fall diese Sammlung stattfinden lassen – mit einem Hygienekonzept bekamen wir dann auch die Bestätigung. Daher stand am Tag auch nur ein LKW vor dem Osttor. Die Solidarität hat uns dann aber tatsächlich komplett überrumpelt. Das Fahrzeug war innerhalb kürzester Zeit voll und somit mussten wir durch die halbe Stadt fahren, um die erste Fuhre auszuladen, gleiches mit der zweiten Fuhre. Die Spendenbereitschaft war also trotz Pandemie und leerem Stadion ungebrochen. Diesmal stellen wir wieder zwei LKW vors Osttor, sodass wir alle Spenden direkt einladen können. Darüber hinaus werden wir einen Teil der Spenden, vor allem Schlafsäcke, Decken und Isomatten an die karitative Hertha-Fan-Initiative ‘1892hilft‘ geben, die diese auf ihren Touren gebrauchen kann. Wir empfinden ‘Hertha wärmt!‘ somit als runder, da wir als Fanszene uns um das Sammeln der Spenden kümmern und dann auch die Verteilung, zumindest eines Teils, der Spenden selbst übernehmen. Der Großteil wird aber das Lager der Berliner Stadtmission füllen.

herthabsc.com: Unser Hauptstadtclub unterstützt eure Aktion aktiv – wie sehr hilft der Support des Vereins?
'Cody': Durch die Öffentlichkeitsarbeit von Hertha BSC hat sich die Reichweite deutlich erhöht. Was anfänglich im Freundeskreis gestartet ist, hat die aktive Fanszene sehr gut angenommen und mittlerweile gibt es Hertha-Fans von Nah und Fern, die das ganze Jahr nur darauf warten, dass 'Hertha wärmt!' wieder stattfindet. Es freut uns auch zu hören, dass selbst auf der Geschäftsstelle die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedes Jahr fleißig sammeln. Letztendlich ist es der Ort und der Verein, zu dem am Spieltag alle Herthanerinnen und Herthaner von überall ins Stadion kommen – das alles macht die Aktion unter diesem gemeinsamen Motto 'Hertha wärmt!' zu einem Erfolg!

Helfende sammeln vor dem Olympiastadion Spenden.
Helfende sammeln vor dem Olympiastadion Spenden.

herthabsc.com: Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ist eine Dunkelziffer, in Berlin geht man von bis zu 40.000 Wohnungslosen und von 4.000 bis 6.000 Obdachlosen aus. Eure Spenden helfen all diesen Menschen, können aber die Ursachen nicht lösen. Was wünscht ihr euch von der Politik?
'Cody': Leider ist es in einem so hochentwickelten Land wie Deutschland bis heute nicht möglich den Ursachen so zu begegnen, dass man eine menschwürdige Unterbringung für alle Wohnungs- und Obdachlosen gewährleisten kann. Über Ursachenbeseitigung zu sprechen, würde hier sicherlich den Rahmen sprengen – aber möchte ich im Winter in Berlin einen Platz in einer Unterkunft bekommen, muss ich meist stundenlang Schlange stehen. Wer zu spät kommt, hat eben Pech gehabt. Es gibt faktisch viel zu wenige Übernachtungsmöglichkeiten. Bei manchen Notunterkünften sind auch die Zugangsregeln kompliziert. So gilt für einige Notunterbringungen ein striktes Drogen- oder Alkoholverbot. Für Obdachlose mit Abhängigkeiten ist der Aufenthalt hier somit unmöglich. Dadurch sind Angebot und Zielgruppe oftmals nicht aufeinander abgestimmt. Auch das soziale Engagement für diese Menschen ist meistens auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gestützt. Wir schaffen es, Milliarden in große Wirtschaftsunternehmen zu stecken, sind aber im Bereich 'Soziales' gefühlt ein Entwicklungsland. Hier hoffen wir für die Zukunft auf deutliche Verbesserung. Enorm ansteigende Mieten, schlechte Bezahlung und harte Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen, die Schließung von Essensausgaben für Bedürftige während des Lockdowns: Insbesondere die Pandemie hat klar aufgezeigt, wo Handlungsbedarf besteht!

herthabsc.com: Welche Kleidungsstücke und Bedarfsartikel werden am meisten benötigt?
'Cody': Wie der Name unserer Aktion schon sagt, alles was eben wärmt. Lange Hosen, dicke Jacken, Schals, Mützen und eben auch warme Winterschuhe. Hauptsächlich suchen wir Kleidung für Männer, da der prozentuale Anteil an obdachlosen Frauen deutlich geringer ist. Prinzipiell wird aber auch Damenbekleidung gern angenommen. Ansonsten sind Hygieneartikel jeglicher Art und haltbare Lebensmittel gern gesehen. Eine umfangreiche Liste veröffentlichen wir jedes Mal mit der Ankündigung der Aktion auf unserer Website.

herthabsc.com: Wie kann man euch über die Sammelaktion hinaus unterstützen?
'Cody': Es gibt seit Beginn der Pandemie einen sehr aktiven und bunt gemischten Kreis von Herthanerinnen und Herthanern, die sich unter dem Namen '1892hilft' zu einer richtigen Instanz in der Obdachlosenhilfe entwickelt haben. Auch mit Unterstützung von Hertha BSC fahren die Helferinnen und Helfer regelmäßig die bekannten Treffpunkte der Obdachlosen an und versorgen diese direkt mit Kleidung, Sachspenden oder im Rahmen der Suppenbustouren seit über einem Jahr. Zudem wurden im kalten Winter warme Unterkünfte für Obdachlose bereitgestellt, während an heißen Sommertagen in der ganzen Stadt Wasserflaschen verteilt wurden. Als Herthaner können wir nur jedem nahelegen, diese ganzjährige Aktion zu unterstützen. Wir als 'Harlekins Berlin '98' werden in Zukunft die ohnehin gute Zusammenarbeit mit '1892hilft' noch deutlicher intensivieren und können für das bisher Geleistete nur unseren größten Respekt aussprechen. Freiwillige Helferinnen und Helfer, die bereit sind abends und nachts direkte Hilfe vor Ort zu leisten, sind hier sehr gern gesehen. Darüber hinaus bringt die Stadtmission eine Spendenbox mit und wir sammeln über den Account des Förderkreises Ostkurve noch bis zum 27. November.

herthabsc.com: Wohin können über den Spieltag gegen Augsburg hinaus Kleiderspenden übergeben werden?
'Cody': Die Berliner Stadtmission hat, wie andere Hilfsorganisationen auch, an einigen Orten im gesamten Stadtgebiet Sammelstellen eingerichtet. Ob am Bahnhof Zoo, in der Lehrter Straße nahe dem Hauptbahnhof, im Textilhafen in der Storkower Straße oder am Ostbahnhof: Hier kann man ganzjährlich vorbeifahren und die Spenden kommen definitiv an! Ansonsten kann man auch gerne die Kanäle von ‘1892hilft‘ nutzen.

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Es erstaunt uns jedes Mal auf ein Neues, wie die Hertha-Familie diese Aktion unterstützt. Dafür möchten wir uns auch hiermit bedanken.
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-'Cody'

von Tolga Üzüm