#HERTHAMUSEUM: Thomas Zander – der fliegende Berliner
Im Juli 1967 wechselt Thomas Zander im Alter von 15 Jahren vom BFC Alemannia 90 zu den Blau-Weißen und zeigt von Beginn an sein Können. Zwei Jahre später erringt der gebürtige Reinickendorfer mit den A-Junioren den Berliner Meistertitel, in der erstmals ausgetragenen Deutschen Jugendmeisterschaft belegen unsere Blau-Weißen auch dank seinen Paraden einen sehr beachtlichen dritten Platz. Selbst Bundestrainer Helmut Schön konstatiert: „Ich wusste gar nicht, dass es in Berlin so starke Mannschaften gibt!“ Seit Dezember 1968 gehört Zander durchgehend zum Kader der U18-Nationalmannschaft. Höhepunkte sind jeweils die Berufungen in den 16-köpfigen Kader - Seite an Seite mit den späteren Weltmeistern Rainer Bonhof, Paul Breitner und Uli Hoeneß - für die UEFA-Jugendturniere in der DDR 1969 und in Schottland 1970. Auch an sein Debüt in der bundesdeutschen Jugendauswahl gegen Dänemark im November 1969 erinnert er sich gerne.
Das erste Jahr im bezahlten Fußball
Noch vor Ablauf der Saison 1969/70 unterzeichnet der Schlussmann einen Lizenzspielervertrag bei unsere 'Alten Dame'. Nach dem UEFA-Turnier in Schottland reist Zander direkt zur Mannschaft nach Kalifornien, um in der letzten Woche der USA-Reise wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Das jüngste Mitglied des Bundesliga-Kaders startet als dritter Torwart in die Saison 1970/71. Sowohl Volkmar Groß als unumstrittener Stammtorhüter als auch Michael Kellner, der zu Beginn der Saison als designierter zweiter Torwart zu Hertha gewechselt ist, stellen für Zander in der ersten Spielzeit noch zu hohe Hürden dar. Er profitiert jedoch vom täglichen Training in der zum Favoritenkreis auf den deutschen Meistertitel zählenden Mannschaft und von den Einsätzen in unserer Reserveauswahl.
Das Bundesliga-Debüt
In dieser Rolle geht der Schlussmann zunächst auch in die Saison 1971/72. Das Eigengewächs überlegt sogar, die Fußballkarriere nicht weiter zu verfolgen und sich vollends seinem Studium zu widmen. Erst als im Nachgang des Bundesliga-Skandals auch die Sperre der beiden etatmäßigen Torhüter Groß und Kellner nur noch eine Frage der Zeit ist, gibt Trainer 'Fiffi' Kronsbein dem 1,85 Meter großen Nachwuchstorwart grünes Licht für das Bundesliga-Debüt. Am 6. Mai 1972 muss der damals 20-Jährige jedoch seinem Lampenfieber Tribut zollen, als die Blau-Weißen bei den abstiegsbedrohten Rot-Weißen aus Oberhausen mit 2:5 unterliegen. Sieben Wochen später besteht der Keeper dann im letzten Heimspiel der Saison beim 1:1 gegen den bereits feststehenden Absteiger Arminia Bielefeld seine erste Bewährungsprobe im Olympiastadion. Beim bedeutungslosen Saisonabschluss folgt ein 2:4 beim VfL Bochum.
Konkurrenzkampf mit einem Nationaltorwart
Zur Saison 1972/73 verpflichten unsere Berliner den 30-jährigen Routinier Horst 'Luffe' Wolter. Der Nationalspieler und Meistertorwart von Eintracht Braunschweig soll der mit elf Neuzugängen völlig neuformierten und sehr jungen Mannschaft die dringend benötigte Erfahrung in einer Saison geben, in der es für die Blau-Weißen einzig um den Klassenerhalt geht. Nachdem Wolter die ersten vier Bundesliga-Partien in der Stammformation beginnt und unser Team ohne Punktgewinn bleibt, erhält Zander am fünften Spieltag die Gelegenheit, sich von Beginn an zu präsentieren. In diesem zukunftsweisenden Spiel, erneut gegen Rot-Weiß Oberhausen, gelingt unserer Elf mit einem 3:1 der ersehnte Befreiungsschlag. Trotzdem muss Zander in den folgenden drei Spielen wieder auf der Ersatzbank Platz nehmen und kommt bis zum 25. Spieltag lediglich bei den punktlosen Auswärtsspielen in Wuppertal (1:4) und Düsseldorf (1:3) zu weiteren Einsätzen. Nach insgesamt 53 Gegentoren löst der junge Schlussmann Wolter am 26. Spieltag in der Halbzeitpause ab und steht bis Saisonende zwischen den Pfosten. In den verbleibenden neun Bundesliga-Spielen bleiben unsere Jungs nur zwei Mal ohne Punktgewinn. Dabei trägt der 22-Jährige mit lediglich elf Gegentoren zum Klassenerhalt als Tabellen-13. bei.
Stammplatz, Vizemeister und Abschied
In den beiden folgenden Spielzeiten avanciert Zander dann zur Nummer 1 im Berliner Tor. In der Saison 1973/74 bestreitet er 31 Partien, wahrt sechs Mal eine weiße Weste und verhilft der Mannschaft zum unerwarteten achten Tabellenrang. Jedoch ist es die Spielzeit 1974/75, die dem Schlussmann mit spektakulären Flugparaden einen ganz besonderen Platz im blau-weißen Geschichtsbuch einbringt. In 34 Spielen ist er der sichere Rückhalt hinter der von Ludwig 'Luggi' Müller herausragend organisierten Abwehr. In neun Spielen lässt der Keeper kein Gegentor zu, zu Hause bleibt die Mannschaft unbesiegt. Vor allem die Heimsiege im legendären Nebelspiel gegen den FC Bayern (4:1) sowie gegen den späteren Deutschen Meister Borussia Mönchengladbach (2:1) im zwei Mal ausverkauften Olympiastadion sorgen dabei für Aufsehen. Doch auch der Erfolg im Abschiedsspiel von Mannschaftskapitän Müller gegen den VfL Bochum (4:2), der Hertha BSC unter Trainer 'Sir' Georg Kessler am letzten Spieltag die Vizemeisterschaft einbringt, bleibt unvergessen.
Verletzungen bei beiden Berliner Torhütern sorgen dafür, dass sich die nahezu gleichwertigen Schlussmänner Zander und Wolter die Aufgaben in der Saison 1975/76 teilen. Drei Tage nach seinem letzten Einsatz in einem Punktspiel gegen den Hamburger SV (1:1), hütet Zander auch im Halbfinale des DFB-Pokals beim 1. FC Kaiserslautern das Spreeathener Gehäuse. Auf dem Betzenberg muss der Berliner mit seiner Mannschaft nach einem leistungsgerechten 2:4 den Traum einer erstmaligen Endspiel-Teilnahme des Vereins allerdings begraben. Sechseinhalb Wochen später beendet der amtierende Vizemeister die Bundesliga-Saison auf einem weit unter den Erwartungen bleibenden elften Tabellenrang. Aufgrund unterschiedlicher finanzieller Vorstellungen und dem Wunsch des Torwarts, seinem Studium mehr Priorität einzuräumen, können sich beide Seiten nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen. Nach sieben Spielzeiten und 113 Pflichtspielen endet für Thomas Zander die ereignis- und erfolgreiche Zeit bei unserer 'Alten Dame'.
Die Zeit nach Berlin
Nach einem kurzen Abstecher zu Wormatia Worms in die 2. Bundesliga Süd kehrt Zander 1979/80 in die höchste Spielklasse zurück. Beim TSV 1860 München nimmt er sogar indirekt Einfluss auf das Abschneiden von Hertha BSC: Mit sieben nicht gegen ihn verwandelten Elfmetern stellt er nicht nur einen bis heute gültigen Liga-Rekord auf, sondern sichert seinem Arbeitgeber so auch die Punkte für den Klassenerhalt. Anstelle der 'Löwen' müssen unsere Spreeathener den Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Nach dem Abstieg im folgenden Jahr und einer Saison in der 2. Bundesliga beendet der Reinickendorfer bei den 'Löwen' seine aktive Karriere 1982. Zander bleibt in München und erwirbt die A-Lizenz. Von April bis Oktober 1987 übernimmt er das Traineramt der mittlerweile in der Bayernliga spielenden 'Sechziger'. Sein weiterer Berufsweg führt ihn mit einer eigenen Agentur in die Versicherungsbranche. Jahrelang ist der ehemalige Keeper zudem Mitglied beim FC Schmiere. In der Prominentenmannschaft kickt er mit Fußball-Legenden wie Paul Breitner, Helmut Haller, Willi 'Ente‘ Lippens, Gerd Müller und Helmut Rahn für wohltätige Zwecke. Der passionierte Tennisspieler, der über die Jahre immer wieder einmal über eine Rückkehr in seine Geburtsstadt nachdenkt, sich aber endgültig für einen Verbleib in der Isar-Metropole entschieden hat, wohnt mit seiner Ehefrau unweit des Trainingsgeländes des Stadtrivalen FC Bayern München.
In großer Dankbarkeit wünscht Hertha BSC seinem Vizemeister-Torwart einen wunderschönen Ehrentag, stete Gesundheit und alles erdenklich Gute für die Zukunft.