#HERTHAMUSEUM: Rekordsieg für die Ewigkeit
#HERTHAMUSEUM: Rekordsieg für die Ewigkeit
Berlin – Im April 1970 gleicht die Tabelle in der höchsten deutschen Spielklasse vor dem 32. Spieltag aufgrund zahlreicher witterungsbedingter Spielausfälle einem Flickenteppich. Bis auf den 1. FC Köln und Borussia Dortmund haben alle anderen 16 Mannschaften noch diverse Nachholspiele auszutragen. An der Tabellenspitze scheint sich Borussia Mönchengladbach bereits erstmalig den Titel vor dem Vorjahresmeister FC Bayern München gesichert zu haben. Die Herthaner nehmen trotz noch zwei zu absolvierender Nachholspiele den vierten Tabellenrang ein. Gegen den BVB geht es für die Blau-Weißen darum, in der zweiten Saison nach Rückkehr in die Bundesliga den prestigeträchtigen dritten Tabellenplatz hinter den beiden besten deutschen Mannschaften der letzten 24 Monate zu erreichen.
Ungleiche Vorzeichen
Während die Berliner trotz der Aussicht auf fünf zu bestreitende Bundesliga-Partien innerhalb von lediglich 15 Tagen in Bestbesetzung antreten, ist die Personaldecke bei den Dortmundern dünn. Aufgrund einer im Mai geplanten Mexiko-Reise hat sich die Mannschaft der Borussen einige Tage vor dem Spiel in Berlin einer Pocken-Schutzimpfung unterziehen müssen, die nun wiederum zu Fiebererkrankungen bei einigen Spielern geführt hat. Trainer Hermann Lindemann muss deshalb auf den Einsatz einiger Stammspieler wie Sigfried 'Siggi' Held verzichten. Er sieht die Chancen auf einen Erfolg dadurch gemindert, hegt aber dennoch Hoffnung, etwas Zählbares aus Berlin mitzunehmen. "Vielleicht klappt es aber nun umso besser. Wie oft hat man schon erlebt, dass eine ersatzgeschwächte Mannschaft, der man nicht viel zutraute, über sich hinauswuchs und ein großes Spiel machte!"
Geschichte wird geschrieben
Zum vierten Heimspiel innerhalb von 18 Tagen finden an diesem Samstag bei 12 Grad und regnerischem Wetter lediglich knapp 23.000 Zuschauer den Weg ins Berliner Olympiastadion. Die treuen Anhänger müssen ihr Kommen von der ersten bis zur letzten Spielminute jedoch keinesfalls bereuen und bekommen Historisches geboten. Nach nicht einmal 60 Sekunden steht es bereits 1:0 für Hertha BSC. Der Dortmunder Torhüter Klaus Günther greift nach einer Flanke am Ball vorbei, vom Innenpfosten des Dortmunder Gehäuses springt der Ball zu Lorenz 'Lenz' Horr, der mühelos zur frühen Führung vollendet. Lediglich 120 Sekunden später bringt der soeben bejubelte Torschütze eine Freistoßflanke von der linken Seite in den Dortmunder Strafraum, die Wolfgang Gayer per Kopf zum 2:0 verwertet. In den folgenden Spielminuten scheitern dann zunächst Franz Brungs, Hans-Joachim Altendorff sowie Jürgen Weber mit Distanzschüssen am Dortmunder Schlussmann, bevor erneut Horr nach einem Flankenball von Bernd Patzke mit einem Kopfball auf 3:0 erhöht (21.). Fünf Minuten später erzielt auch Gayer seinen zweiten Treffer, als er nach einem von Horr getretenen Freistoß ebenfalls per Kopf auf 4:0 erhöht. Erst nach einer halben Stunde kommen die Gäste zu ihrem ersten Torschuss, den Volkmar Groß im Berliner Tor jedoch sicher pariert. Danach prüft Horr auf der anderen Seite den gegnerischen Torwart mit einem Gewaltschuss, ehe Karl-Heinz Ferschl am Pfosten scheitert. Acht Minuten vor der Halbzeitpause schließt Brungs einen Alleingang zum 5:0 ab, kurz vor dem Pausenpfiff macht Gayer nach einem von Ferschl schön eingeleiteten Angriff das halbe Dutzend voll.
Lediglich vier Minuten sind in der zweiten Spielhälfte absolviert, als der BVB-Torhüter einen Fernschuss von Uwe Witt nur abklatschen lässt, Gayer erhöht auf 7:0 und ist der erste Spieler von Hertha BSC, der in einer Bundesliga-Partie vier Tore erzielt. Der aus der Abwehr aufgerückte Tasso Wild trägt sich danach in die Torschützenliste ein, als er einen zunächst abgewehrten Torschuss von Wolfgang Weber zum 8:0 verwertet (65.). Wild ist es auch, der den Gästen durch ein Handspiel im eigenen Strafraum einen Strafstoß und somit die Chance auf einen Ehrentreffer ermöglicht. Dieter Kurrat setzt den Ball jedoch lediglich an den linken Torpfosten, den Nachschuss pariert Groß im Berliner Tor. Zehn Minuten vor Abpfiff der Partie gelingt dem eingewechselten Jürgen Boduszek doch noch der Dortmunder Ehrentreffer. Hermann Bredenfeld, der seit Beginn der zweiten Spielhälfte für Altendorff auf Seiten der Berliner mitwirkt, setzt zwei Minuten vor Spielende den Schlusspunkt unter den blau-weißen Torreigen. Nach dem Spiel fasst der Berliner Arno Steffenhagen den glanzvollen Auftritt seiner Mannschaft mit den Worten "Heute werden die Zuschauer wohl mit uns zufrieden gewesen sein", treffend zusammen. Dortmunds Torwart Günther kommentiert das Debakel seiner Mannschaft sichtlich demoralisiert mit der Aussage "Oft schien es mir, als tanzten 50 Blau-Weiße in meinem Strafraum einen höllischen Reigen!"
Die beste Saison der Vereinsgeschichte
Die 'Alte Dame', die bei den 17 Heimspielen mehr als 700.000 Zuschauer im Olympiastadion verzeichnet, feiert nach diesem Kantersieg in den restlichen vier Saisonspielen gegen den VfB Stuttgart (3:1), bei Eintracht Braunschweig (2:1) und gegen den SV Werder Bremen (4:1) noch drei weitere Erfolge und kann sich dadurch erstmalig den dritten Tabellenplatz sichern. Die erreichten 65 Punkte (45 Punkte gemäß der damals gültigen Zwei-Punkte-Regel) aus 20 Siegen (davon 14 im Olympiastadion) und fünf Remis bedeuten für Hertha BSC einen bis dato nicht wieder erreichten Höchstwert in der Beletage des deutschen Fußballs. Der Rekordsieg gegen den BVB ist bis zum heutigen Tage unerreicht, auch wenn der Hauptstadtclub zehneinhalb Jahre später in einer Partie der 2. Bundesliga mit 8:0 über Wattenscheid 09 triumphiert. Wie unantastbar diese beiden Siege sind, zeigen die nächsthöheren Erfolge, die jeweils mit einer Sechs-Tore-Differenz gelingen. Im DFB-Pokal sind die Berliner 1975 mit 7:1 beim FV Weinheim siegreich. Jeweils ein 6:0 verzeichnet Hertha innerhalb von nur 34 Monaten in der Bundesliga gegen den Hamburger SV (2002), 1860 München (2003) sowie gegen Borussia Mönchengladbach (2004). In der 2. Bundesliga machen die Berliner das halbe Dutzend ohne Gegentreffer 1981 beim OSV Hannover sowie 1982 bei der Spielvereinigung Bayreuth voll. Auch im DFB-Pokal setzen sich die Blau-Weißen beim OSV Hannover (1972) und beim FC 08 Homburg (1983) jeweils mit 6:0 durch.
(fs/HerthaBSC)
Gesagt...
[>]Heute werden die Zuschauer wohl mit uns zufrieden gewesen sein![<]