
Die Stimme des Olympiastadions
Die Stimme des Olympiastadions

Berlin - Seit inzwischen 17 Jahren ist Fabian von Wachsmann Stadionsprecher von Hertha BSC. An jedem Spieltag ist der 45-Jährige zusammen mit seinem Partner Udo Knierim für das Rahmenprogramm vor, während und nach dem Spiel verantwortlich. Die Arbeit als Stadionsprecher verlangt Leidenschaft und Hingabe, die allerdings, laut des 45-Jährigen, mit der Stimmung und den Emotionen mehr als zurückgezahlt wird.
Der in Berlin geborene Fabian von Wachsmann ist seit seiner Kindheit Hertha-Fan und besucht die Heimspiele der Blau-Weißen seit ungefähr 1980 regelmäßig. Dass er einmal Stadionsprecher werden wollte, schien früh klar zu sein: "Ich hatte, als ich klein war, einen zusammensteckbaren Kicker. Der hatte hohle Rohre als Beine, in die ich immer rein gesprochen habe, um meine Kicker- oder Tipp-Kick-Figuren als Stadionsprecher anzusagen." An sein erstes Spiel als Stadionsprecher für Hertha BSC kann sich Fabian von Wachsmann auch noch gut erinnern. "Das war damals gegen St. Pauli. Wir waren unglaublich aufgeregt und haben uns alles aufgeschrieben und jedes Wort abgelesen, was qualitativ natürlich nicht so gut war", gesteht der Stadionsprecher mit einem leichten Grinsen." Der Einstieg in den Beruf des Stadionsprechers ist nicht so einfach, da es kein 'Patentrezept' oder Leitfaden gibt, an dem man sich so einfach orientieren kann. "Am Anfang macht man das so, wie man sich das selbst als Fußball-Fan oder Stadiongänger vorgestellt hat. Es gab aber auch Einflüsse von außen, wo manche Leute zu mir meinten 'versuch doch dies oder jenes mal'. Dann probiert man verschiedene Dinge aus und merkt, dass manche Vorschläge und Ideen ganz gut sind und funktionieren. Zwischendurch ist mir beispielsweise aufgefallen, dass wenn ich 'Hertha' etwas mehr betone, die Fans automatisch 'BSC!' rufen und inzwischen ist das immer so. Das war aber kein Ziel, wo man drauf hingearbeitet hat, sondern solche 'Rituale' entstehen einfach mit der Zeit."
"Beste Kurve in Deutschland"
Das Gefühl, dass ihm die Ansage der Aufstellung gibt, kann der Stadionsprecher kaum in Worte fassen. "Vor der Kurve zu stehen und mit den Leuten zu interagieren, das ist einfach unbeschreiblich!", versuchte es von Wachsmann trotzdem irgendwie zu erklären. Die Entwicklung der Ostkurve in den vergangenen Jahren sieht der 45-Jährige sehr positiv: "Ich habe in der zweiten Liga angefangen, da waren auch mal nur 5.000 da und die Kurve nur halb voll. Mit dem Aufstieg in die Bundesliga wurde das dann mehr und inzwischen würde ich sagen, haben wir die beste Kurve in Deutschland." Mit den bisherigen Leistungen der Blau-Weißen, ist der Hertha-Stadionsprecher ebenfalls sehr zufrieden. "Die Art und Weise wie wir spielen finde ich extrem unterhaltsam und auch sehr begeisternd, vor allem, wenn man bedenkt, wo wir herkommen", beschreibt der Stadionsprecher seinen Eindruck und fügte noch einen ganz wichtigen Punkt hinzu: "Wenn man guckt, wie die Mannschaft nach der schwierigen Pokal-Woche gespielt hat, beispielsweise die zweite Halbzeit gegen Mainz oder der Auftritt in Hannover, dann ist das Team offensichtlich so stabil, dass man Rückschläge verkraften und dennoch weiter den attraktiven Fußball erfolgreich spielen kann."

Was man benötigt, um selbst Stadionsprecher zu werden ist auch nicht ganz einfach. Die logische Grundvoraussetzung ist zunächst einmal, dass man in der Lage ist und Lust darauf hat, vor vielen Menschen zu sprechen. Da man ein fester Bestandteil des Ablaufprogramms am Spieltag ist, kann man auch nicht einfach mal krank feiern oder kurzfristig über ein Heimspiel-Wochenende verreisen. In 17 Jahren fehlte Fabian von Wachsmann zwei Spiele, einmal war er krank, ein anderes Mal gab ihm sein Arbeitgeber aufgrund eines Auslandsauftrags nicht frei. Der 45-Jährige fuhr für ein Heimspiel von Hertha BSC sogar mal während des Urlaubs nach Berlin und im Anschluss wieder zurück. "Es ist natürlich eminent wichtig, dass man eine emotionale Bindung zu dem Verein hat", beschreibt der Hertha-Stadionsprecher einen weiteren wichtigen Aspekt des Jobs. Dennoch muss man vorsichtig sein, dass man sich nicht zu sehr hineinsteigert. "Es gibt bestimmte Situationen wie Schiedsrichterentscheidungen, wo ich normalerweise vor dem Fernseher rumbrüllen würde, was aber als Stadionsprecher nicht geht. Nach einem schlechten Spiel fehlen einem manchmal die Worte, aber dann muss man relativ schnell reagieren und so flexibel sein, dass man halt die richtigen Worte findet", antwortete Fabian von Wachsmann. Einfach das Mikro in die Hand nehmen und reinbrüllen, so wie viele Leute sich die Arbeit vorstellen, ist es dann nicht, "weil dann die Stimme nach 20 Minuten weg" ist.
"Den einen Moment gibt es nicht"
Neben einer guten Stimme benötigt man zudem noch einiges an Moderationsgeschick. Der Arbeitstag des 45-Jährigen startet dreieinhalb Stunden vor dem Anpfiff. "Zunächst gibt es eine Ablaufbesprechung, in der alles detailliert besprochen wird. Das ist ähnlich wie bei einem Fernsehformat, wo der Ablauf und alle Inhalte festgelegt werden." Bis das Programm dann beginnt, vergeht eine weitere halbe Stunde. "Dann werden wir verkabelt, damit wir die Regie und uns selber hören", so der Stadionsprecher weiter. Wenn die Technik funktioniert, startet dann das Programm vor dem Spiel. Während des Spiels ist der blau-weiße Stadionsprecher natürlich ebenfalls gefordert, bevor es in der Halbzeit mit dem Pausen-Programm weitergeht. Nach dem Spiel werden dann in der Regel Interviews geführt, bevor dann meistens noch drei bis vier Botschaften, wie beispielsweise die Termine für die nächsten Spiele, mitgeteilt werden. Rund 45 Minuten nach dem Spiel gibt es dann noch im Audi-VIP-Talk ein weiteres Interview, um den Tag im Anschluss in den VIP-Bereichen ausklingen zu lassen. Bei einem Spiel am Samstag um 15.30 Uhr, ist von Wachsmann von knapp 12.00 bis 19.30 im Einsatz: "Man kann aber wirklich nicht klagen! Ich kann mir wenig schönere Dinge vorstellen, als Stadionsprecher zu sein."
Den direkten Kontakt zu den Hertha-Fans gibt es natürlich auch: "Es gibt einen regen Austausch und das finde ich sehr gut. Ich biete mich immer für Gespräche an oder komme auf Fan-Treffen, wenn ich eingeladen werde. Zusätzlich stimmen wir uns auch während des Spieltags ab, falls die Fans beispielsweise Unterstützung vom Stadionsprecher für eine Choreo brauchen." Auf die Frage, was für ihn bisher der schönste Moment im Olympiastadion war, hatte von Wachsmann keine klare Antwort: "Den einen Moment gibt es nicht", antwortete er und fügte hinzu: "Es gibt ganz, ganz viele richtig gute Momente. Ein Außergewöhnlicher Moment war zum Beispiel, als das Stadion zum ersten Mal ausverkauft war. Ein weiterer außergewöhnlicher Moment war auch das Tor von Alex Alves von der Mittellinie oder der vierer Pack von Bart Goor gegen Hamburg. Es gibt ansonsten sehr viele kleine Momente, die vielleicht auch nur ich als solche sehe. Jedes Mal wieder bei der Aufstellung vor der Kurve zu stehen, die Leute zu sehen, zu hören, wie sie sich einsingen und mit ihnen die Aufstellung zu machen, das ist jedes Mal ein ganz toller Moment."