"This is my garden!"
Club | 20. August 2013, 20:35 Uhr

"This is my garden!"

"This is my garden!"

Alan Cairncross über seinen Weg nach Berlin und den Full-Time-Job als Greenkeeper.

Berlin - Betrachtet man den Rasen im Berliner Olympiastadion oder die Trainingsplätze von Hertha BSC, dann fällt einem sofort die gute Qualität der Spielfelder auf. Alan Cairncross ist der verantwortliche Greenkeeper, der sich intensiv mit der Pflege des 'grünen Teppichs' befasst. Wie viel Mühe, Präzision und Know-How sich hinter der Arbeit eines Greenkeepers befindet, fällt auf den ersten Blick nicht auf. Der sympathische Schotte, der inzwischen seit 19 Jahren die Plätze der Herthaner pflegt, erzählt über seinen Weg, der ihn zu Hertha BSC führte und seinen 'Full-Time-Job' als Greenkeeper.

Alan Cairncross kam 1972 mit der britischen Armee nach Berlin und war in der Brooke-Wavell-Kaserne in Spandau stationiert. Die Haupstadt gefiel dem in St. Andrews geborenen Schotten so gut, dass er sich nach seiner Dienstzeit dafür entschied, in Berlin zu bleiben. Seit 1994 ist Cairncross für das Spielfeld im Olympiastadion und die Trainingsplätze auf dem Vereinsgelände zuständig. Auf die Frage, ob er Hertha-Fan sei, antwortete er bereits während der Fragestellung: "Natürlich! Wir haben nur eine Mannschaft in Berlin!", und lacht herzlich. Natürlich sei ihm bewusst, dass es auch den 1. FC Union gibt, aber für ihn gäbe es halt nur Hertha BSC. Greenkeeper ist ein Begriff, der eigentlich aus dem Golfsport kommt, erklärt Cairncross. Die Bezeichnung verweist auf den perfekt gepflegten Bereich zum Einlochen, das sogenannte 'Green'. Dieses ist kurz geschoren und lässt den Golfball präzise und wie auf einem Teppich rollen.

Berliner Rasen aus den Niederlanden und der Faktor Wetter

"Mit Rasen zu arbeiten, ist schwierig", beginnt der Schotte das eigentliche Gespräch. "Du arbeitest mit der Natur und nicht gegen sie", sagt er und fügt hinzu: "Sportrasen braucht sehr viel mehr Pflege, als der Rasen im Garten. Ich beschäftige mich seit 30 Jahren damit und lerne immer etwas Neues hinzu. Die Natur ist kompliziert!" Dass der englische Rasen weltweit einzigartig sein soll, ist scheinbar ein weit verbreiteter Irrtum oder Vergangenheit. Der britische Greenkeeper sieht das nämlich etwas anders: "Meiner Meinung nach ist das falsch. Wenn man die Bundesliga mit der Premier League vergleicht, dann ist die Rasenqualität gleich gut, wenn nicht sogar besser." Dass der Rasen aus dem Olympiastadion eigentlich aus den Niederlanden kommt, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. "Es gibt viele Rasenspezialisten in Europa. Ich kenne zwei Firmen, die ihren Sitz hier in Deutschland haben, aber den Rasen in den Niederlanden anpflanzen. Es ist deutsches 'Know-How' und deutscher Rasen, der in den Niederlanden vorbereitet wird", beschreibt der Greenkeeper die Herkunft der grünen Halme. Der 'Teppich' ist, was man ihm absolut nicht ansieht, inzwischen zwei Jahre alt. Mit der Qualität und Langlebigkeit ist Alan Cairncross "sehr zufrieden", erzählt er stolz.

Die Pflege eines Spielfelds ist sehr intensiv und ein 'Full-Time-Job'. Neben Cairncross sind noch drei weitere Mitarbeiter für die Pflege an den Hertha-Sportplätzen zuständig. "Der Platz wird mindestens drei bis vier Mal die Woche gemäht, teilweise auch bis zu sechs Mal. Das hängt viel vom Wetter ab. Es muss gemäht, gedüngt und ausgebessert werden", beschreibt der Greenkeeper die Arbeitsabläufe. Es komme ab und zu auch vor, dass der Trainer einen kürzeren oder längeren Rasen haben möchte. Das passt das Greenkeeper-Team, das für die Firma Penta arbeitet, dann den Wünschen von Hertha-Trainer Jos Luhukay und Co. an. "Der Rasen, den wir auf den Trainingsplätzen haben, ist derselbe, wie im Olympiastadion. Die Spieler kennen ihn also, was ein Vorteil sein kann", erzählt der Schotte. Zwischen den vier Jahreszeiten wechselt die Länge des Rasens. Im Sommer ist er kürzer, circa 2,8 Zentimeter, während er in den kalten Jahreszeiten eher länger bleibt. "Im Winter wächst der Rasen nicht so schnell, deshalb haben wir dann ein längeres Grünblatt, damit die Spieler mehr Halt haben und es auch optisch besser aussieht", erzählt Cairncross. Die verschiedenen Wetterbedingungen seien teilweise echte Herausforderungen für ihn und sein Team, aber der Winter sei die schlimmste Zeit für die Rasenpfleger: "Wir haben zwar eine Rasenheizung, aber das beschleunigt das Wachstum auch nicht wirklich. Große Schäden kann man nur mit neuem Rollrasen reparieren, aber wenn ganz Europa eingeschneit ist, wo kriegt man den dann her?", fragt er und ergänzt anschließend: "Wir finden da aber immer eine Lösung."

"50 Prozent Ahnung und 50 Prozent Gefühl"

Über den Platz habe sich bis jetzt noch kein Schiedsrichter, Verband oder Spieler beschwert, erzählt der sympathische Schotte mit einem Lächeln. Seiner Meinung nach ist der optimale Platz "schön gerade, kurz geschnitten und etwas nass. Dann kann man richtig gut Fußball spielen." Passend zur Aussage "gut Fußball spielen", betreten die Herthaner den Schenckendorffplatz, um eine Trainingseinheit zu absolvieren. Fast jeder Spieler begrüßt den Greenkeeper im Vorbeilaufen mit einem Nicken, einem "Hallo" oder einem Grinsen. "Das sind aktuell alles gute Jungs", sagt Cairncross und fügt hinzu: "Als Greenkeeper ist es auch wichtig mit den Spielern zu sprechen, damit man Feedback bekommt und den Platz weiter verbessern kann."

Auf den englischen Rasen kommt er dann aber doch noch einmal zu sprechen. Auf die Frage, welcher Rasen für ihn einer der Schönsten sei, antwortet er: "Ich kann den Rasen zwar nicht anfassen und wenig zur Bodenqualität sagen, aber wenn ich die Optik betrachte, dann sieht der Rasen im Emirates-Stadium von Arsenal London immer tip-top aus. Sogar die Spielfeldlinien sehen fantastisch aus", schwärmt Cairncross. Wenn auf so einem perfekten Rasen gegrätscht wird und Stücke des 'grünen Teppichs' durch die Luft fliegen, dann hat der Greenkeeper am Montag danach meist viel zu tun. Das sei aber halt seine Aufgabe und mit der nötigen Erfahrung, wisse man auch, was zu tun sei. "Nach einiger Zeit lernst du deinen Platz kennen. Bei Sportrasen kann man sagen, dass es 50 Prozent Ahnung und 50 Prozent Gefühl sind", erklärt er.

Der technische Wandel - Der wichtige Boden

Der Einsatz von moderner Technik kann dabei unterstützend sein, wird aber von jedem Greenkeeper unterschiedlich aufgenommen. In der Bundesliga gibt es einige Vereine, die den Rasen beispielsweise im Strafraum mit großen Lichtmaschinen bestrahlen, der die Sonne simulieren und den Rasen schneller wachsen lassen soll. Im Berliner Olympiastadion kommt diese Technik allerdings nicht zum Einsatz. Dennoch ist der technische Wandel vom Beginn von Cairncross' Greenkeeper-Zeit bis heute deutlich spürbar: "Wir haben Spezialisten, die inzwischen besseren Dünger, bessere Pflegesysteme und bessere Spritzmittel entwickelt haben, um die Platzqualität zu steigern", sagt der 'Herr des Rasens'. Er benutze beispielsweise Traktoren mit Nieten am Ende, die je nach Bedarf eine gewisse Lochtiefe in den Boden stechen. "Das macht den Boden weicher, belüftet ihn besser, unterstützt die Drainage und der Platz bleibt dadurch auch gesünder."

Wie wichtig ein gesunder Boden für den Platz ist, wird einem erst bewusst, wenn ein Fachmann wie Cairncross über die Form und Beschaffenheit des Bodens redet. "Die Plätze sind in der Mitte höher und fallen zu den Seiten etwas ab, damit das Wasser besser ablaufen kann. Außerdem ist der Boden ein extrem wichtiger Faktor. Der braucht Luft, eine gute Drainage und Dünger. Wir verstreuen auch etwas Sand, der dann die toten Halme abträgt, in den Boden einzieht und sich mit der Erde vermischt." Das wirkt laut Alan Cairncross wie eine Art "natürliches Filtersystem". Im Jahr werden in etwa fünf bis sieben Liter Sand in mehreren Durchgängen verstreut. "Viele Leute wissen nicht, wie viel Arbeit hinter so einem Platz steckt", sagt der Greenkeeper, der privat überraschenderweise über keinen Garten verfügt. "Aber auf meinem Balkon habe ich trotzdem Rasen - Kunstrasen!", sagt er lachend und fügt hinzu: "Ich brauche keinen Garten. This is my garden!", und zeigt stolz auf das Trainingsgelände der Herthaner.

von Hertha BSC